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# taz.de -- Neue Software in Hamburgs Jugendzentren: Gefangen in der PC-Arbeit
> Hamburgs Jugendämter erhalten im Mai eine neue Software, die Kinder
> besser schützen soll. Kritische Sozialarbeiter warnen vor bürokrischem
> Monstrum.
Bild: Alles brauchen die Ämter auch nicht zu wissen: Besucher im Bezirksamt Mi…
Am 21. Mai werden in Hamburgs Jugendämtern die Computer umgeschaltet. Statt
der alten „Projuga-Software“ aus den 90er regelt dann das über
100-Millionen Euro teure „JUS IT“-Programm die Jugendhilfe in der Stadt.
Doch während SPD-Sozialsenator Detlef Scheele und sein Jugendamts-Chef Uwe
Riez sich davon effizienteren Kinderschutz erhoffen, üben Sozialarbeiter
Kritik.
„Wir lehnen die Einführung des Programms grundsätzlich ab“, heißt es in
einer Resolution, die jetzt von rund 40 Sozialarbeitern beim „Ratschlag“
der Offenen Kinder- und Jugendarbeit verabschiedet wurde. Da jedoch die
politische Debatte die fachlichen Einwände längst „überollt“ habe, forde…
man nun wenigstens, den Klienten, sprich Kindern und Eltern, ein „Recht auf
informationelle Selbstbestimmung“ zu gewähren. Dafür sollten alle mit JUS
IT arbeitenen Sozialarbeiter Formblätter erhalten, die über das neue
Programm aufklären und sowie eine Einverständniserklärung samt
Widerspruchsmöglichkeit zur Datenerfassung erhalten.
„Die Menschen müssen wissen, was die neue Software alles kann“, sagt
Sozialarbeiter und ver.di-Mitglied Peter Meyer, der die Bedenken nun im
Auftrag des Ratschlags an Senat und Datenschutzbeauftragten herantragen
soll. „Projuga lief nur im Jugendamt. JUS IT soll über Schnittstellen mit
Polizei und Behörden für Wohngeld, Grundsicherung und Gesundheitswesen
verknüpft werden“. „Wir fürchten, die Menschen wissen nicht, was über sie
gespeichert wird“, ergänzt Volker Vödisch vom Baupielplatz Am Brunnenhof.
„Wir möchten, dass sie eine gute Aufklärung bekommen“. Von Nachteil sei
zudem, dass das neue Programm auch Anbieter von Erziehungshilfen aussuche
und hier stets zuerst die preisgünstigen vorschlage. „Es muss aber die
angemessene, nicht die billigste Hilfe gewährt werden“, warnt hier auch der
Links-Abgeordnete Mehmet Yildiz. Auch beinhalte das Progrann eine
Standartisierung bei der Hilfeplanung, die sich „kontraproduktiv“ wirken
könne.
Das bestätigt Andreas Schneider*, ein Jugendamtsmitarbeiter, der bereits an
JUS IT geschult wurde. „Das Programm ist sehr verzweigt, wenig
anwenderfreundlich und praxisfern“, sagt er. Der Senat wirbt damit, dass
das Handeln der Ämter jetzt vereinheitlicht wird. Es solle
Jugendamtsbetreuern helfen, den Fall zu reflektieren und die richtigen
Fragen zu stellen. Doch nach Schneiders Einschätzung wurde hier
übertrieben. „Es geht nach dem Grundsatz, lieber zu viel fragen als zu
wenig“. So schreibe ein Vordruck vor, dass ein Bericht über ein
Hilfeplangespräch sieben Seiten lang sein müsse. „Diese Papierflut
erschlägt die Betroffenen“. Das Programm funktioniert wie eine online
eingegeben Steuererklärung und kann erst beendet werden, wenn alle Fragen
beantwortet sind. „Es müssen sehr kleinteilig Punkte abgehakt werden, auch
wenn sie gar nicht relevant sind“, sagt Schneider. „Wozu soll ich den
Kühlschrank kontrollieren, wenn ein Kind nicht den Vater besuchen will“.
Die Verwaltunsgarbeit werde durch JUS IT verdoppelt: „Wir werden gefangen
von der PC-Arbeit und kommen wir gar nicht mehr raus“.
Die digitale Infrastrutur solle Teil eines neuen „Qualitätsmagments“ sein,
kündigte dagegen Senator Scheele an. Checklisten und Bearbeitungsfristen
sollen verhindern, dass vernachlässigte Kinder durch Netz fallen und
wichtige Hinweise übersehen werden.
Datenschutzprobleme sieht seine Behörde nicht. Die öffentliche Verwaltung
dürfe zu jeder gesetzlichen Leistung, die sie gewährleisten muss
„selbstverständlich die entsprechenden Daten erheben“, sagt Sprecherin
Nicole Serocka. Einer förmlichen Einverständniserklärung „bedarf es nicht�…
Auch sei die Gestaltung der Software mit dem Datenschutzbeauftragten „in
allen Einzelheiten abgestimmt“.
Der allerdings sieht schon Probleme. Die Datenerhebung sei zulässig,
solange JUS IT das gleiche tue wie Projuga, sagt Detlef Malessa vom Büro
des Datenschutzbeauftragten. Schwierig werde aber, wenn, wie geplant, ab
2014 die gemeinsame Datenhaltung mit Sozial- und Wohnungsämtern hinzu
komme. „Wenn jemand mal Wohngeld beantragt hat, geht es das Jugendamt gar
nichts an“. Man sei darüber seit längerem mit dem Senat in Diskussion und
habe „bisher keine nachvollziehbare Antwort“.
*Name geändert
4 May 2012
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Jugendhilfe
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