# taz.de -- Kampf der offenen Betriebssysteme: Welches ist das beste Anfänger-… | |
> Wer als Einsteiger Linux installieren wollte, nutzte lange Zeit die | |
> Variante „Ubuntu“. Nun wurde sie verdrängt: „Mint“ ist freundlicher … | |
> Einsteigern. | |
Bild: Einem Windows-User dürfte diese Oberfläche vertraut vorkommen. | |
BERLIN taz | Wer im vergangenen November einen Blick auf den | |
Open-Source-Neuigkeitendienst "Distrowatch" warf, kam aus dem Staunen nicht | |
heraus: Ubuntu, eine der beliebtesten Linux-Varianten, die auch Otto | |
Normalnutzer problemlos als Windows-Ersatz verwenden kann, war plötzlich | |
auf Platz 4 in den Anwendercharts gefallen, die die Seite mit verschiedenen | |
Methoden erfasst. | |
Stattdessen fand sich auf Rang 1 der populärsten Linux-Distributionen: | |
Linux Mint, eine Betriebssystemumgebung, die bis vor wenigen Jahren noch | |
kaum jemand kannte. Auch sechs Monate später hat sich daran nichts | |
geändert: Linux Mint liegt weiter unangefochten auf der Top-Position, | |
Ubuntu konnte sich mit Mühe nur wieder auf Platz 2 vorkämpfen. | |
Was die Ubuntu-Macher besonders ärgern dürfte: Linux Mint basiert zu großen | |
Teilen auf Ubuntu, das wiederum selbst wieder auf dem komplexeren Debian | |
aufsetzt. Und Linux Mint hat eine ganz ähnliche Zielgruppe wie Ubuntu – | |
PC-Neueinsteiger und Umsteiger von Windows oder Mac OS X, die möglichst | |
wenig Stress bei der Installation haben wollen und sich ein rundes Paket | |
mit den wichtigsten Anwendungen und Funktionen wünschen. | |
Hauptgrund für den Erfolg des Linux-Mint-Teams sehen Beobachter in der | |
Tatsche, dass Ubuntu seit Sommer 2010 auf eine neue Oberfläche namens Unity | |
umgestiegen ist. Doch die scheint bei den Nutzern aufgrund ihrer so ganz | |
anderen Bedienphilosophie nicht recht anzukommen. Mark Shuttleworth, | |
Gründer der Ubuntu-Mutter Canonical, ficht das nicht an: „Die Leute wollen | |
eine in die Zukunft orientierte Plattform und nicht eine aus der | |
Vergangenheit“, sagte er in einer Fragerunde. | |
Unity, das ursprünglich für kleine Netbook-Bildschirme entwickelt wurde, | |
setzt auf große Icons, eine seitlich angebrachte Startleiste und ein | |
gewisses Tablet-Feeling, das bei Weitem nicht jedem langjährigen | |
PC-Benutzer gefallen dürfte. Der klassische Desktop-Look soll dagegen | |
komplett wegfallen. | |
Konnten Ubuntu-Nutzer Unity bis Herbst 2011 noch relativ einfach abdrehen | |
und durch die seit Ewigkeiten übliche Gnome-Oberfläche ersetzen, geht das | |
jetzt nur noch mit dem umständlichen Nachladen aus dem Internet – und das | |
schreckt insbesondere Einsteiger ab. Kein Wunder daher, dass Nutzer | |
beginnen, Ubuntu mit Unity zu identifizieren – es wurde zu einer Art | |
Corporate Identity. | |
## Alles, was ein Anfänger braucht | |
Genau hier nun setzte das Linux-Mint-Team an. Unity ist hier kein Thema, | |
stattdessen werden die ebenfalls altbekannte Desktop-Oberfläche KDE und vor | |
allem Gnome in den Varianten 2 und 3 benutzt. Dabei achten die Entwickler | |
auf eine ansprechende Optik mit hübschem Logo und installieren all das | |
standardmäßig, was Otto Normalnutzer zum Arbeiten braucht. | |
Dazu gehören Pakete wie das Büroprogramm LibreOffice, der Browser Firefox, | |
die E-Mail-Lösung Thunderbird und die Bildbearbeitungssoftware GIMP. Der | |
aktuelle Desktop Gnome 3 unterstützt fast 50 unterschiedliche Sprachen und | |
ist in Sachen Ressourcenhunger sehr verträglich, was die Installation auch | |
auf älteren Rechnern erlaubt. Das Set-up-Programm von Linux Mint ist so | |
gestaltet, dass es auch Einsteiger verstehen. | |
Ein weiteres Argument für Linux Mint und gegen Ubuntu: Das Projekt ist | |
komplett Community-getrieben und hat nicht, wie Ubuntu, eine Mutterfirma im | |
Rücken. Die achtet unter anderem darauf, dass ein striktes Regime an neuen | |
Versionen eingehalten wird – Linux Mint erscheint immer dann, wenn das Team | |
bereit ist. | |
Nutzerfreundlich ist auch, dass Linux Mint sich nicht vor geschlossener | |
Software fürchtet. So können auch Programme, die unter Markenschutz stehen | |
oder als reine Binärdaten vorliegen, mitgeliefert werden – vom | |
Flash-Plug-in von Adobe bis hin zu gut funktionierenden Grafiktreibern. All | |
das führt dazu, dass Nutzer weniger von dem Linux-Derivat genervt sind als | |
von anderen. Entsprechend realistisch ist es, dass sich das Betriebssystem | |
noch ziemlich lange auf Platz 1 bei „Distrowatch“ finden wird. | |
8 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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