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# taz.de -- Halbe Ehrung für die "Bild": Eklat beim Henri-Nannen-Preis
> Die „Bild“-Zeitung wird für ihre Berichterstattung über die Wulff-Affä…
> mit renommiertem Journalistenpreis ausgezeichnet. Die "Süddeutsche
> Zeitung" lehnt daraufhin eine Ehrung ab.
Bild: Die "Bild"-Redakteure Martin Heidemanns (r.) und Nikolaus Harbusch bei de…
HAMBURG taz | Er hätte etwas Ruhe nötig gehabt, der Henri-Nannen-Preis. Im
letzten Jahr musste der Spiegel-Redakteur Réne Pfister seinen Preis
zurückgeben. Er hatte für eine Reportage über Horst Seehofer unsauber
recherchiert, die Jury entzog ihm den „Henri“ einige Tage nach der
Verleihung wieder. Doch auch ein Jahr später endete die Verleihung des
renommierten Journalistenpreises erneut mit einem Eklat.
Es kam ganz anders. Der Verleihung 2012 am Freitagabend im Hamburger
Schauspielhaus wurde noch turbulenter als die im vergangenen Jahr. Es
scheint fast, als ob sich die vom Verlag Gruner + Jahr sowie dem Stern
vergebene Ehrung zu einem verlässlichen Skandalgarant entwickelt. Und wer
ist dieses Mal Schuld?
Mit etwas Ironie könnte man sagen: Christian Wulff - es wäre nicht die
erste Institution, die er beschädigt. Oder die Bild, die in der Kategorie
Investigation nominiert war, für ihre Berichterstattung über die Fehltritte
des ehemaligen Bundespräsidenten. Oder aber die Juroren, die sich einen Tag
vor der Verleihung entschieden, das Boulevardblatt aus dem Springer-Verlag
auszuzeichnen – wenn auch unter großem Dissens in der Jury, der auch Ines
Pohl angehört, die Chefredakteurin der taz. Auch ein Vertreter des
Axel-Springer-Verlags saß in der 15-köpfigen Hauptjury: Jan-Eric Peters,
Chefredakteur der Welt-Gruppe. Zudem unter anderem die Chefredakteure von
Spiegel, Zeit und Stern.
Mehrmals wurde abgestimmt, zuletzt offenbar geheim, mehrmals ergab sich ein
Patt. Bis sich die Jury auf einen Kompromiss einigte. Die Bild sollte
prämiert werden, aber nicht alleine. Auch die SZ-Redakteure Hans
Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter sollten in der Kategorie
„Investigation“ einen Preis erhalten, sie hatten ein kriminelles Geflecht
rund um die Formel 1 enttarnt. „Ein Fall von großartiger
Reporter-Leistung“, so die Jury. Zwei Preisträger in einer Kategorie, eine
Ausnahme. Die Bild-Befürworter hatten sich in der Jury durchgesetzt.
Vorerst.
Seit Wochen hatte die Branche die Nominierung der Bild diskutiert. Eine
Studie der [1][Otto-Brenner-Stiftung (Bild und Wulff – Ziemlich beste
Partner][2][)], erschienen am vergangenen Montag, hatte nachgezeichnet,
warum das Boulevardblatt nicht preiswürdig sei. Bild und Wulff hätten seit
Jahren eine Geschäftsbeziehung unterhalten, die von Bild zuletzt einseitig
aufgekündigt worden sei. Viel Investigation, also das ermitteln gegen
Widerstände, sei da nicht gewesen. Die Bild ignorierte die Studie und
verweigerte einen Kommentar. Gabor Steingart, Chef des Handelsblatts,
trommelte für das Boulevardblatt in einem Newsletter.
So war es am Freitag auch das Handelsblatt, das als erstes Medium sein
Wissen aus der Jury verbreitete - schon vor der Verleihung. Woher wusste
die Zeitung von der streng geheimen Entscheidung der Jury? Wollten sich die
Bild-Freunde unter den Juroren bei Steingart bedanken und stachen ihm die
Info durch?
Als am Freitagabend Antonia Rados, Reporterin bei RTL, auf die Bühne kam,
wurde sie von Moderatorin Judith Rakers als Frau angekündigt, die Ahnung
habe von heiklen Situationen. Rados interviewte im vergangenen Jahr
Gaddafi. Über keine Kategorie sei so viel diskutiert worden, wie über die
„Investigation“, in der die Bild-Redakteure Martin Heidemanns und Nikolaus
Harbusch nominiert waren, leitete Juror Helmut Markwort ein, Herausgeber
des Focus. Dabei habe man im Fall der Bild-Nominierung weniger über die
Tiefen und Untiefen des Boulevardjournalismus diskutiert, als über die
eingereichten Arbeiten selbst. Die hätten, laut Jury-Begründung,
letztendlich zum Rücktritt des Bundespräsidenten geführt. Ein Fall von
„größtmöglicher Fallhöhe“.
Als aber die Bild-Redakteure Nikolaus Harbusch und Martin Heidemanns zur
Auszeichnung auf die Bühne gerufen wurden, da mischte sich Applaus mit
Buhrufen. Die Geehrten hielten sich knapp. Ob er denn Genugtuung empfinde
über den Rücktritt des Bundespräsidenten, fragte Moderatorin Rakers.
Harbusch verneinte. Genugtuung spiele da überhaupt keine Rolle.
Dann folgte der Auftritt eines Mannes, den nach diesem Abend wohl einige
bewundern, über den sich aber wohl auch einige ärgern werden – vor allem im
Axel-Springer-Haus in Berlin: Hans Leyendecker, renommierter
Investigativredakteur der Süddeutschen Zeitung, sagte, dass er und seine
Kollegen nicht zusammen mit der Bild ausgezeichnet werden wollen. Dafür
gab's Applaus und einige überraschte Gesichter.
Ob der Preis nun beschädigt sei, fragte Judith Rakers daraufhin den Leiter
der Henri-Nannen-Journalistenschule, Andreas Wolfers, der zusammen mit Ines
Pohl auf die Bühne gekommen war, um die Ablehnung zu kommentieren. Nein,
sagte Wolfers. Man habe nun die Gelegenheit wieder intensiv über das
Handwerk zu diskutieren.
Und ähnlich wie im Fall Pfister im vergangenen Jahr wird wohl auch diesmal
über die journalistische Qualität eines Beitrags gestritten werden, den
eine prominent besetzte Jury zuvor als preiswürdig erachtet hatte –
mehrheitlich. Die Bild wird sich über diese Diskussion am wenigsten freuen
können. Und wohl auch nicht so richtig über ihren „Henri“. Durch den
Rückzug Leyendeckers, der in der Branche von vielen respektiert bis
bewundert wird, ist der Preis eher Bürde als Belohnung.
In der Kategorie „besonderer Einsatz für die Freiheit der Presse“ gewann
übrigens der Journalist Nick Davies. Er hatte intensiv über die illegalen
Methoden einer Boulevardzeitung recherchiert, der britischen News of the
World.
11 May 2012
## LINKS
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## AUTOREN
Felix Dachsel
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