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# taz.de -- Palästinensische Vertreibung 1948: Wer sich erinnert, wird abgestr…
> Der Gedenktag der palästinensischen Vertreibung unterliegt einem neuen
> Gesetz. Öffentlichen israelischen Einrichtungen droht Geldentzug, falls
> sie den Tag begehen.
Bild: Protest gegen die palästinensische Gedenkveranstaltung vor der Universit…
JERUSALEM taz | Nicht an den Grenzen zum Libanon und zu Syrien versammelte
sich am diesjährigen Nakba-Tag ein Sonderaufgebot der Sicherheitskräfte,
sondern vor dem Campus der Tel Aviver Universität. „Nakba“ ist das
arabische Wort für eine schreckliche Katastrophe und bezieht sich auf die
Vertreibung von 1948. Seit einem Jahr verbietet ein israelisches Gesetz
offizielle Zeremonien zum Gedenken an das palästinensische
Flüchtlingsproblem. Wer trotzdem den Nakba-Tag begeht, riskiert die
Streichung von staatlichen Förderungsgeldern.
Die Leitung der Tel Aviver Universität wählte einen vagen Kompromiss. Sie
genehmigte die Kundgebung der zumeist arabischen Studenten zwar
grundsätzlich, stellte ihnen aber keinen geschlossenen Raum zur Verfügung,
wie es die Veranstalter forderten. Die Kundgebung fand auf der Straße statt
und unter der Bedingung, dass die Studenten selbst für das gesetzlich
vorgeschriebene Überwachungspersonal aufkommen. Erziehungsminister Gideon
Saar hatte zuvor gewarnt, Gelder zu kürzen, sollte die Universität die
Veranstaltung unterstützen.
„Die Universität versucht ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen“, schimpft
die Juristin Sawsan Zaher von Adallah, dem Zentrum für die arabische
Minderheit in Israel. „Sie sagen, das ist nicht unsere Veranstaltung,
solange wir nicht für die Bewachung zahlen.“ Dabei sei es Aufgabe der
Hochschule, so findet Zaher, „den Studenten die Möglichkeit zu geben, ihre
Meinung frei kundzutun“. Zudem habe der Erziehungsminister mit dem
Nakba-Gesetz nichts zu tun, sondern der Finanzminister.
Adallah scheiterte zusammen mit Acri (Verband für Bürgerrechte in Israel)
Anfang dieses Jahres vor dem Obersten Gerichtshof mit dem Einspruch gegen
das Gesetz, das „die freie politische Äußerung“ einschränke und versuche,
„Minderheiten mundtot zu machen“. Immerhin sorgte die Kritik für eine
Abmilderung des Gesetzes. Die ursprüngliche Version sah noch
Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren vor. Die Regierung übernahm diese
Fassung zunächst, ließ dann aber, infolge des öffentlichen Drucks, wieder
davon ab.
## Der Effekt ist genau umgekehrt
Der aktuellen Rechtslage zufolge ist das Finanzministerium befugt,
Zahlungen einzustellen, wenn die Existenz Israels als jüdischer,
demokratischer Staat infrage gestellt wird, wenn staatliche Symbole
verletzt werden oder der Gründungstag Israels als Tag der Trauer begangen
wird.
Die umstrittene Rechtsprechung hatte einen kontraproduktiven Effekt. „Es
gibt heute nicht weniger Nakba-Veranstaltungen, sondern mehr“, sagt Zaher.
Das heiße nicht, das öffentlich finanzierte Einrichtungen keine Angst vor
Kürzungen hätten. Die meisten würden trotzdem an die Vertreibung der
Palästinenser erinnern, auch wenn sie ihre Veranstaltung anders definierten
oder die Einladungen unter eine andere Überschrift stellten.
„Viele Einrichtungen erhalten ohnehin keine staatliche Förderung“, erklärt
Zaher. „Dort finden infolge der Gesetzesänderung mehr Veranstaltungen zur
Nakba statt als vorher.“ Die arabische Bevölkerung werde die Zeremonien
fortsetzen. „Die Nakba ist Teil unserer Kultur, wir leben sie bis heute.“
700.000 Palästinenser waren während des Unabhängigkeitskrieges 1948 bis
1949 aus ihrer Heimat vertrieben worden. Die Zahl ihrer Nachkommen wird
heute auf fünf Millionen geschätzt.
Die Juristin von Adallah stellt das Nakba-Gesetz in eine Reihe von
Reformen, die sich gezielt gegen die arabische Minderheit in Israel
richteten und die sie als „rassistisch“ bezeichnet. Dazu gehört etwa die
Regelung, die eine Familienzusammenführung für arabische Ehepaare
verhindert. „Allein die Existenz des Nakba-Gesetzes untergräbt die
Gleichberechtigung für alle Bürger.“
Wer sich davor scheue, Zweifel zuzugeben, zeuge von einer Verunsicherung
über seine Prinzipien und Ansichten, so schreibt Jaron London in der
auflagenstärksten israelischen Tageszeitung Yediot Achronot. „Die
aufschreienden Patrioten sind die größten Feiglinge.“
14 May 2012
## AUTOREN
Susanne Knaul
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