# taz.de -- Österreichs Pfarrer gegen den Vatikan: „Unsere Initiativen werde… | |
> Die Forderungen sind klar, aber sie werden nicht gehört: Der | |
> österreichische Pfarrer Schüller über Mut, Drohungen, den Vatikan und die | |
> Initiative „Aufruf zum Ungehorsam“. | |
Bild: Allein von den Eingangstüren katholischer Kirchen wird einem schon angst… | |
taz: Herr Schüller, Sie sind katholischer Priester in Österreich und proben | |
mit anderen Pfarrern und Ihrer Deklaration „Aufruf zum Ungehorsam“ den | |
Aufstand gegen die katholische Hierarchie – warum? | |
Helmut Schüller: Vor sechs Jahren ist unsere Pfarrer-Initiative entstanden | |
in der Sorge um die Zukunft unserer Gemeinden, die aufgrund des | |
Priestermangels immer mehr zu anonymen Großgemeinden zusammengefasst und | |
entortlicht werden. Außerdem haben wir als Pfarrer seelsorgerische | |
Anliegen: Wir wollen vor allem, dass wiederverheiratete Geschiedene die | |
Eucharistie bekommen können, dass die katholischen Laien an den | |
Entscheidungen in der Kirche beteiligt werden und dass das Priesteramt für | |
Frauen und Verheiratete geöffnet wird. | |
Aber alle Signale aus Rom gehen nach rückwärts, die fortschrittlichen | |
Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils sollen zurückgeschraubt | |
werden. Rom will eine Kirche des 19. Jahrhunderts erneut durchsetzen. | |
Ihrer Pfarrer-Initiative haben sich über 400 Pfarrer in Österreich | |
angeschlossen – ist der Aufstand zu groß, als dass er vom Vatikan | |
niedergerungen werden könnte? | |
Unsere Initiative vereint etwa zehn Prozent der Pfarrerschaft in | |
Österreich. Wir spüren in der Hierarchie eine Menge Nervosität. | |
Gleichzeitig werden erste Gesinnungsfreunde ähnlicher Initiativen in der | |
Slowakei und in Irland drangsaliert. Man droht diesen Pfarrern, ihnen ihr | |
Amt zu entziehen, wenn sie nicht schweigen. Unsere Initiative ist auch in | |
Deutschland von nicht wenigen Bischöfen mit abfälligen oder drohenden | |
Worten belegt worden. | |
Jetzt kommen Sie zum Katholikentag nach Mannheim, allerdings nicht als | |
offizieller Gast, sondern auf Einladung der Basisbewegung „Wir sind | |
Kirche“. Hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das den | |
Katholikentag organisiert und eigentlich eine Laienorganisation ist, Sie | |
aus Angst nicht eingeladen? | |
Zumindest hat sich das ZdK von unserer Initiative scharf abgegrenzt. Es | |
zeigt sich wieder einmal, wie viel Ängstlichkeit dort gegenüber den | |
Bischöfen und dem Vatikan herrscht. Diese Angst hindert das ZdK daran, die | |
nötigen Reformen in der Kirche einzufordern. Erst kürzlich hat der | |
ZdK-Präsident dem Papst in Rom Medienberichten zufolge zugesichert, dass | |
der Katholikentag unserer Initiative keinen Raum geben werde. | |
Erwarten Sie, dass die katholische Basis ihren Oberhirten auf dem | |
Katholikentag ordentlich den Marsch bläst? | |
Vermutlich. Es gibt ja auch in Deutschland genug Spannung zwischen den | |
Laien und den Priestern auf der einen und den Bischöfen auf der anderen | |
Seite. | |
Die Priester in Deutschland scheinen aber nicht so mutig zu sein wie die in | |
Österreich. | |
Deutschland ist doch sehr viel größer und hat viel mehr Priester, während | |
wir in Österreich uns alle einigermaßen kennen, manche sind befreundet seit | |
ihrer Zeit im Priesterseminar. In Deutschland ist es da schwerer, einen | |
gemeinsamen Nenner zu finden. Aber es tut sich was. In Deutschland gibt es | |
ähnliche Initiativen wie in Österreich, etwa in den Bistümern Würzburg, | |
Passau, München und Freiburg. | |
Was müsste passieren, damit die Reformen, die Sie und Ihre Initiative | |
fordern, umgesetzt werden , also das Priesteramt auch für Verheiratete, das | |
Diakonat der Frauen und die Eucharistie für wiederverheiratete Geschiedene? | |
Das Ganze ist natürlich ein Prozess – aber wir brauchen schon jetzt eine | |
andere Form des Dialogs. Im Grunde ist doch schon alles gesagt, die | |
Forderungen sind klar und wurden von der Basis schon jahrelang geäußert, | |
aber sie werden nicht gehört. Es fehlt eine Kultur der Beteiligung bei den | |
Bischöfen, von Ausnahmen abgesehen. Es gibt ein Recht der Gläubigen, | |
beteiligt zu werden. | |
Wann wird sich der Vatikan endlich bewegen? | |
Ein Schlüsselereignis wäre, wenn sich die ersten Bischöfe im Sinne der | |
Reform positionieren würden. Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass | |
es in Deutschland keinen Bischof geben soll, der in unserem Sinne denkt. | |
Aber da herrscht so viel Angst vor Rom! Und sie wollen die Loyalität zu Rom | |
nicht aufkündigen – dabei werden sie mit dieser Loyalität mittlerweile | |
erpresst. Außerdem werden sie regelmäßig überrascht über die neuen | |
Wendungen im Vatikan, die sie wegen des Wunsches nach Einheit dann nur noch | |
abnicken. Aber Loyalität beruht auf Gegenseitigkeit: Wer Loyalität | |
einfordert, muss sie selber auch leisten, auch im Vatikan. | |
Haben Sie Hoffnung, dass manche Bischöfe in Deutschland sich bald positiv | |
zu den Reformforderungen in der Kirche äußern? | |
Ich habe da Hoffnung, sonst hat man nur eine äußerliche Einheit, die alles | |
blockiert und hemmt. Die reformorientierten Bischöfe müssen sich, das wäre | |
eine Voraussetzung, solide verzahnen, jeder einzelne wird sonst zur Ruhe | |
gebracht. Abschreckend ist etwa das Beispiel des australischen Bischofs | |
William Morris, der vergangenes Jahr vom Vatikan abgesetzt wurde, nur weil | |
er eine Diskussion über das Priesteramt für Verheiratete und für Frauen als | |
möglich bezeichnet hatte. | |
Sie selber sind von Ihrem Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, als | |
Generalvikar, also in der Funktion seines engsten Mitarbeiters, entmachtet | |
worden, weil Sie zu aufmüpfig waren. Das kurze Schreiben zu Ihrer | |
fristlosen Entlassung hat der Wiener Kardinal in einer Nacht Ende Februar | |
1999 im erzbischöflichen Palais vor Ihre Wohnungstür gelegt. | |
Ich war Präsident der Caritas in Österreich und wurde 1995 von Kardinal | |
Schönborn zum Generalvikar seiner Erzdiözese ernannt, bin aber 1999 von ihm | |
auch wieder abgesetzt worden. Parallel war ich Pfarrer in Probstdorf in der | |
Nähe von Wien, und das bin ich immer noch. Außerdem bin ich weiter | |
Universitätsseelsorger in Wien. | |
In Deutschland hat Bischof Norbert Trelle in seinem Bistum Hildesheim | |
verhindert, dass Sie in einer Kirchengemeinde über die von Ihnen | |
geforderten Reformen diskutieren. Hat Sie das empört? | |
Nein, Bischof Trelle hat dadurch unsere Anliegen nur noch bekannter | |
gemacht. Eine Diskussion zu verhindern ist aber eines Bischofs nicht würdig | |
und ein Zeichen von Schwäche. | |
Manche sagen, Papst Benedikt XVI. habe zuletzt bei seiner | |
Gründonnerstagspredigt recht milde auf die österreichische | |
Pfarrer-Initiative reagiert. Was meinen Sie: Ist das Taktik, weil sie | |
einfach zu stark geworden ist? Oder will der Papst die Initiative nur | |
aussitzen? | |
Seine Äußerungen hatten jedenfalls nicht den Charakter eines Verweises, | |
sondern eher den einer kritischen Rückfrage. Es gibt schon in mehreren | |
Ländern ähnliche Initiativen wie unsere. Vielleicht hat er wirklich die | |
Hoffnung, dass sich diese Bewegung von selbst auflösen könnte. Aber es | |
stimmt schon: Seine Kritik war relativ milde und offenbarte auch ein | |
gewisses Maß an Selbstkritik, etwa wenn er die Langsamkeit der Kurie | |
einräumte. | |
Das war bemerkenswert. Insgesamt ist das Interesse an unserer Initiative | |
auch dadurch gestiegen. Ich bemerke mit Genugtuung, dass unser Forderungen | |
nicht mehr als österreichische Hirngespinste abgetan werden können, von | |
denen keiner mehr redet. | |
16 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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