# taz.de -- Nato-Gipfel in Obamas Heimatstadt: Chicago in Rundumbewachung | |
> Beim Nato-Gipfel in Chicago fordern die USA von den europäischen | |
> Mitlgiedsländern mehr Militärinvestitionen. Gleichzeitig demonstriert die | |
> US-Friedensbewegung. | |
Bild: Laufen sich schonmal warm: US-FriedensaktivistInnen in Chicago. | |
WASHINGTON taz | US-Veteranen wollen am Sonntag in Chicago ihre Medaillen | |
für den „Global War on Terror“ und andere Leistungen in den Kriegen im Irak | |
und in Afghanistan zurückgeben. Sie führen die Anti-Nato-Proteste an. | |
Mit ihnen werden die Mütter gefallener Soldaten, Occupier, | |
Globalisierungskritiker und alles was in der US-Friedensbewegung Rang und | |
Namen hat, demonstrieren. Gleichzeitig beginnt in der rundum bewachten | |
Stadt, in der Geschäfte, Museen und Universitäten geschlossen bleiben und | |
Schützen positioniert sind, der zweitägige Nato-Gipfel. | |
Die Demonstranten verlangen das sofortige Ende des Kriegs in Afghanistan – | |
und manche fordern auch die Auflösung der Nato. Die 28 Mitglieder der | |
Militärallianz hingegen wollen in Chicago die Zukunft ihres Bündnisses | |
organisieren und sich auf die kommenden militärischen „Herausforderungen“ | |
vorbereiten. | |
Neben den Nato-Mitgliedern haben die USA auch 22 weitere Staaten nach | |
Chicago geladen. Darunter Pakistan und Afghanistan. Der afghanische | |
Präsident Karsai wird am Sonntag – vor Eröffnung des Gipfels – Barack | |
Obamas erster Gesprächspartner in Chicago sein. | |
## USA verfolgen beim Gipfel zwei Ziele | |
Die US-Spitze verfolgt zwei Hauptziele mit dem Nato-Gipfel: Sie will die | |
den Afghanistankrieg so zu Ende führen, wie Obama es plant. Wozu neben dem | |
– möglichst gemeinsamen – Abzug der meisten Soldaten am Ende des Jahres | |
2014 auch der Verbleib von Anti-Terror-Kampftruppen für weitere acht Jahre | |
gehört. Wie es zuvor schon die Niederlande und Kanada getan haben, hat der | |
neue französische Präsident François Hollande im Wahlkampf erklärt, er | |
wolle die französischen Soldaten noch in diesem Jahr aus Afghanistan | |
abziehen. Das bedeutet Gefahr für das US-Vorhaben „Gemeinsam rein – | |
gemeinsam raus“. | |
Zweitens will die US-Regierung die militärischen Kosten für die Nato | |
stärker auf die Schultern ihrer Verbündeten verlagern. Während der | |
US-Verteidigungshaushalt seit dem 11. September 2001 ständig gestiegen ist, | |
haben die europäischen Nato-Partner ihre Militärausgaben gekürzt. Damit | |
habe sich ein „Capability Gap“ geöffnet, heißt es in der verklausulierten | |
Militärsprache: ein gewaltiger Unterschied der militärischen | |
Leistungsfähigkeiten, die ständig niedriger werde. | |
Als jüngstes Beispiel dafür nennt der US-Nato-Botschafter Ivo Daalder den | |
Libyenkrieg. Militärisch bezeichnet er – unisono mit der US-Spitze – den | |
Einsatz als erfolgreich. Da er die US-Steuerzahler „nur eine Milliarde | |
Dollar“ gekostet habe, sei er, so Daalder vor dem Council of Foreign | |
Relations in Washington, zugleich „kostengünstig“ gewesen. Doch zugleich | |
habe der Libyenkrieg gezeigt, dass die europäischen Nato-Länder in vielen | |
Bereichen – darunter das Auftanken von Kriegsflugzeugen in der Luft und | |
Nachrichtendienste – auf die USA angewiesen seien. | |
## Das neue Konzept heißt „Smart Defense“ | |
Die deutlichsten Aufforderungen der USA, mehr „Solidarität“ im Nato-Bündn… | |
zu zeigen, gehen an die Adresse der deutschen Bundesregierung. Das neue | |
Konzept, das in Chicago beim Nato-Gipfel abgesegnet werden soll, heißt | |
„Smart Defense“. Sein Name impliziert, dass die bisherige | |
Verteidigungsfinanzierung nicht smart – also klug – war. | |
Konkret bedeutet Smart Defense, dass die Nato ihre Kosten – von der | |
Luftaufklärung über den baltischen Staaten, die Anschaffung von | |
Nato-eigenen Drohnen über die Lagerung von Munition bis hin zu | |
Meerespatrouillen, an denen die Bundeswehr besonders stark beteiligt ist – | |
in „Projekten“ organisiert, die stärker von anderen Mitgliedsländern als | |
den USA finanziert werden. | |
An die Adresse Russlands – dessen Präsident den dem Nato-Treffen | |
vorausgegangenen G-8-Gipfel boykottiert hat und nicht zum Nato-Gipfel | |
geladen ist – versichert die US-Spitze, eine „Umzingelung Russlands ist | |
nicht geplant“. | |
Doch an der Möglichkeit einer Ausdehnung des Militärbündnisses halten die | |
USA fest, bestätigt Celeste Wallander aus dem Pentagon bei einem | |
Expertentreffen, das in dieser Woche in Washington stattfand. Gegenwärtig | |
bewerben sich Georgien sowie mehrere Staaten des ehemaligen Jugoslawien. | |
19 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nato zu Afghanistan: Gipfel widersprüchlicher Signale | |
Die Nato versucht einen Spagat – in den Ländern, die Truppen in Afghanistan | |
haben, herrscht Kriegsmüdigkeit. Vor Ort wird Hilfe erwartet. Ein | |
Kompromiss zeichnet sich ab. | |
Nato-Gipfel in Chicago: Hollande maschiert allein voraus | |
Auf dem Nato-Gipfel in Chicago soll der bis 2014 geplante Truppenabzug aus | |
Afghanistan festgezurrt werden. Die Inbetriebnahme eines Raketenschirms in | |
Europa ist beschlossen. | |
US-Rüstungsexperte Seay über Atomwaffen: „Politisch eine schlechte Idee“ | |
Der Rüstungsexperte Edward Seay erklärt den geringen militärischen Nutzen | |
der in Europa stationierten US-Atomwaffen. Und sagt, warum sie trotzdem | |
nicht abgezogen werden. | |
Vor Nato- und G8-Gipfel: Die Drei von Chicago | |
Vor dem Nato- und G8-Gipfel in Chicago hat die Polizei drei Männer | |
verhaftet. Ihnen wird Terrorismus vorgeworfen, ihre Anwältin spricht von | |
einer Angstkampagne. | |
G-8-Treffen in Camp David: Gipfel der Weltheiler | |
Die Oberhäupter der wichtigsten Industriestaaten treffen sich mal wieder. | |
Während Obama die Proteste geschickt ins Leere laufen lässt, sorgt Putin | |
für einen Affront. | |
Einsatz in Libyen: Nato soll Entschädigung zahlen | |
Beim Nato-Einsatz in Libyen im vergangengen Jahr sind laut „Human Rights | |
Watch“ 72 Zivilisten getötet worden. Die Menschenrechtsorganisation fordert | |
Entschädigungszahlungen. | |
Russland sagt G8-Gipfel ab: Putin hat keine Zeit für Obama | |
Putin hat zu tun und verteilt Absagen: Erst der Nato-Gipfel in Chicago, nun | |
auch noch das G8-Treffen in Camp David. Grund dafür sei die | |
Regierungsbildung in Moskau. |