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# taz.de -- Karriereknick von Leistungsportlern: Leiser Abgang
> Ab dem 1. Juli ist er ein vertragsloser Profifussballer. Mit nur 32
> Jahren steht der Ex-Nationalspieler Tim Borowski dann vor dem Aus seiner
> Profikarriere.
Bild: Wehmütig will er nicht sein. Tim Borowski verabschiedet sich mit Militä…
BREMEN taz |Vielleicht werden sich bald die Kameraleute und Fotografen
wundern, die demnächst vorm Teamquartier der deutschen Nationalmannschaft
in Danzig Stellung beziehen, wer denn da Zutritt zum Heiligtum erhält.
Jemand, der offiziell ab dem 1. Juli ein vertragsloser Fußballprofi ist:
Tim Borowski. Der Exnationalspieler und die DFB-Auswahl – es wäre eine
sinnbildliche Begegnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Borowski gehörte bei der EM vor vier Jahren zu jener einflussreichen Bremer
Fraktion mit Per Mertesacker, Torsten Frings und Clemens Fritz, der
Bundestrainer Joachim Löw vertraute, obgleich sie nicht alle seinem
Idealtypus entsprachen. Borowski ist nun nach 16 Jahren beim SV Werder mit
Applaus und Blumenstrauß verabschiedet worden. Er möchte spontan ins
Teamquartier nach Polen oder zu einem Gruppenspiel in die Ukraine reisen,
um alte Weggefährten zu treffen, sagte er.
Nur eine genaue Planung sei erschwert, weil sein Sohn Lennox am 24. April
geboren wurde. „Wenn ich die Nationalmannschaft sehe, tut das nicht weh. Im
Gegenteil: Ich bin von ihrem Stil schwer begeistert“, sagt einer, der
anlässlich seines ablösefreien Wechsel zum FC Bayern vor vier Jahren noch
selbstbewusst verkündete, besser als Michael Ballack werden zu wollen.
## Der „blonde Ballack“
Der gebürtige Neubrandenburger ist zur WM 2006 oft als „blonder Ballack“
oder „kleiner Ballack“ tituliert worden, was ihm erst geschmeichelt und
später genervt hat. Im Nationaldress trat der 1,94-Meter-Mann meist dann in
Erscheinung, wenn Ballack passen musste, so wie im WM-Eröffnungsspiel 2006
gegen Costa Rica, als dem Weltstar die Wade zwickte. Borowski befand sich
während des Sommermärchens im Zenit seines Wirkens; als torgefährlicher und
laufstarker Mittelfeldspieler mit gestalterischen Fähigkeiten. Und wenn er
sagt, er habe damals mitgeholfen, im Lande „das Feuer zu entfachen“, dann
stimmt das, weil er zum Beispiel im Drama gegen Argentinien nicht nur
lässig einen Elfmeter verwandelte.
## Der leise Abstieg
Danach ging es abwärts. 33 Länderspielen stehen bei Borowski zu Buche. „Ich
kann nicht erkennen, dass ich seit 2006 nach der WM viele Fehler gemacht
habe. Der eine erleidet weniger, der andere mehr Verletzungen“, sagt der
236-fache Bundesligaspieler beinahe trotzig. Worte wie Wehmut will er nicht
gebrauchen, weil er sie für unpassend hält. Diese wirre Werder-Saison
setzte ihn eine hartnäckige Blessur am Knöchel außer Gefecht – nur bei zwei
Pflichtspielen stand er auf dem Platz: bei der Pokalblamage in Heidenheim
und dem Bundesligakehraus gegen Schalke, als ihn sein nahestehender
Förderer Thomas Schaaf eine Halbzeit lang einsetzte, um einen angemessenen
Abschied zu ermöglichen.
„Ich bin nach meiner Auswechslung zur Pause erst mal kalt duschen
gegangen“, erinnert sich Borowski und spricht von einem der „emotionalsten
Momente“ seiner Karriere. Borowski, dem oft ein Hang zu Arroganz und
Selbstüberschätzung nachgesagt wurde, hat dabei hemmungslos geweint. Dass
Werder seinen lukrativ dotierten Vertrag nicht verlängern würde, stand
längst fest. Mit ihm ging der letzte Akteur aus jener famosen grün-weißen
Elf, die 2004 das Double gewann. Gegenüber Werder, wo er als 16-Jähriger im
Internat begann, hegt er keinen Groll, „da ist null Komma null hängen
geblieben“.
Was nun kommt, das weiß er noch nicht wirklich. Es wäre „falsch
interpretiert“, verrät der von Jörg Neubauer beratene Borowski, den
Fußballer in ihm schon abzuschreiben. Einerseits. Andererseits hat er
Gespräche mit Klubchef Klaus Allofs angekündigt, was eine mögliche
Anstellung im Verein in anderer Funktion angeht. Tim Borowski sagt oft,
dass die Familie das Wichtigste sei. Und: Bremen werde immer seine Basis
bleiben. „Reichlich und reiflich überlegen“ möchte er – und dann
entscheiden.
24 May 2012
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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