# taz.de -- Kommentar Wisconsin: Neuer Held der Republikaner | |
> Die Abwahl des rechten Gouverneurs von Wisconsin, Scott Walker, ist | |
> gescheitert. „Big Money“ hat gegen soziale Bewegungen und Gewerkschaften | |
> gesiegt. | |
Scott Walker, jener Gouverneur von Wisconsin, der die Mitbestimmung | |
abgeschafft, die Gewerkschaften verdrängt, das Tragen von Schusswaffen | |
erleichtert, die Umweltgesetze ausgehöhlt und die Familienplanungszentren | |
ausgehungert hat, ist am Dienstag in seinem Amt bestätigt worden. | |
Aus der „Abrufwahl“, die ihn vorzeitig aus dem Amt drängen sollte, geht der | |
Politiker vom rechten Flügel der Republikaner gestärkt hervor. Sein Triumph | |
macht ihn zu einem neuen Helden der RepublikanerInnen: Zu einem rechten | |
Vorbild, dessen Politik in anderen Bundesstaaten nachgeahmt und dessen Name | |
bei der künftigen Vergabe nationaler Posten bedacht werden wird. | |
Unübersehbar hat in Wisconsin „Big Money“ gegen soziale Bewegungen gesiegt. | |
Nie zuvor ist so viel Geld in einen Wahlkampf in den Bundesstaat geflossen. | |
MillionärInnen aus sämtlichen Teilen der USA – aus der Mineralölindstrie, | |
der Kasinobranche, der Börse und der Republikanischen Partei – haben die | |
Abrufwahl mit ihren Spenden zu einem nationalen Ereignis gemacht. Dank | |
ihrer 31 Millionen Dollar verfügte Walker über acht Mal so viel Geld wie | |
sein demokratischer Herausforderer Tom Barrett. | |
Während der Republikaner die Medien mit aggressiven Spots beschallen | |
konnte, musste die andere Seite mit traditionellen Methoden arbeiten: | |
Türklinken putzen, WählerInnen anrufen, Flugblätter verteilen, diskutieren. | |
Zugleich hat am Dienstag in Wisconsin möglicherweise die letzte Schlacht | |
gegen die Gewerkschaftsbewegung in den USA begonnen. Nachdem die | |
Industriegewerkschaften an Boden verloren hatten, waren in den USA die | |
Arbeitnehmerorganisationen des Öffentlichen Dienstes zur Speerspitze | |
geworden. Wisconsin war ihr Bundesstaat: Dort haben sie – in den 1950er | |
Jahren – die Mitbestimmung erkämpft und dort haben sie eine ihrer letzten | |
Mitgliederhochburgen. | |
## Obama nicht geschwächt | |
In der politischen Auseinandersetzung mit Walker waren sie die führende | |
Kraft. Für die Gewerkschaften ist die Abrufwahl eine historische Niederlage | |
mit weitreichenden Folgen: Erstens hat Gouverneur Walker bewiesen, dass es | |
in den USA möglich ist, Wahlen zu gewinnen, wenn man Mitbestimmung am | |
Arbeitsplatz, Tarifverhandlungen und kollektive Interessenvertretung | |
abschafft. Zweitens wird er als nächstes versuchen, Wisconsin zu einem | |
„Right to Work“-State zu machen, was die restlose Entmachtung der | |
Gewerkschaften bedeutet. Und drittens hat auch US-Präsident Barack Obama | |
die Gewerkschaften in dem Vis-à-Vis mit dem rechten Republikaner allein | |
gelassen. | |
Die demokratische Basis in Wisconsin hat auf diese Zurückhaltung von | |
Präsident Obama mit Irritation und Verbitterung reagiert. Und es ist nicht | |
ausgeschlossen, dass sie ihren Enthusiasmus bei den Präsidentschaftswahlen | |
im November bremsen wird. Dennoch bleibt Obama vorerst der der | |
bestplatzierte Präsidentschaftskandidat in Wisconsin. Es sieht so aus, als | |
müsste der Triumph von Walker seinen Wiederwahlchancen nicht unbedingt | |
schaden. | |
Zu den VerliererInnen vom Dienstag gehört außerdem die Grassrootsbewegung | |
in Wisconsin. Sie hatte im Winter 2011 eine außergewöhnliche Energie und | |
Kreativität entfaltet. Das Kapitol in Madison besetzt. Phantasievolle | |
Aktionen auf der Straße organisiert. Und Tausende neue AktivistInnen zu | |
ihren ersten Aktionen motiviert. Doch seit der Räumung des Kapitol, hat die | |
Bewegung – zusammen mit Gewerkschaften und Demokratischer Partei – ihre | |
geballte Kraft auf institutionelle Politik konzentriert: Petitionen, | |
Wahlkampf und Wahlen. | |
Nach einer (erfolglosen) Wahl-Kampagne für das oberste Gericht in Wisconsin | |
und einer (zum Teil erfolgreichen) Wahlkampagne für mehrere SenatorInnen | |
sollte die Abrufwahl des Gouverneurs zum krönenden Höhepunkt dieser | |
Kampagne werden. Stattdessen geriet sie zum Eigentor. | |
6 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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