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# taz.de -- Der türkische Pianist Fazil Say: Verfolgtes Wunderkind
> Wegen „religiöser Beleidigung“ auf Twitter muss der türkische Pianist
> Fazil Say vor Gericht. Kritiker sehen das als Rache für Says Eintreten
> für eine säkulare Gesellschaft.
Bild: Provoziert konservative Türken: Fazil Say.
Er ist der einzige Pianist von Weltrang aus der Türkei und das Wunderkind
der türkischen Musikszene. Der 1970 in Ankara geborene Fazil Say gab schon
mit fünf Jahren Konzerte, mit zehn komponierte er seine ersten Stücke, mit
fünfzehn wurde er bei einem Workshop von David Levine entdeckt und an die
Robert-Schumann-Hochschule nach Düsseldorf geholt. Heute spielt Say in
allen renommierten Konzertsälen der Welt, produziert CDs und seine
Kompositionen werden in Japan, Europa und den USA gespielt.
Nur in seiner Heimat wird er verfolgt statt geliebt. Die Islamisten lehnen
ihn ab als einen Vertreter „westlicher Musik“, die angeblich nicht zur
Türkei passe. Aus dieser Ablehnung ist jetzt eine regelrechte Verfolgung
geworden. Wegen einiger flapsiger Bemerkungen auf Twitter, die er selbst
verfasst oder retweetet hatte, soll der bekannte Musiker jetzt ins
Gefängnis.
Ein Staatsanwalt in Istanbul klagte Say wegen religiöser Beleidigung an und
fordert 18 Monate Haft. Im Oktober beginnt der Prozess. Gegenstand sind
Sprüche wie: „Wo immer ein Narr oder Dieb ist, sie glauben alle an Gott.
Ist das ein Widerspruch?“ Oder ein Spruch über einen hastigen Gebetsruf vom
benachbarten Minarett: „Warum die Eile? Steht zu Hause Raki auf dem Tisch?“
Diese Tweets sind nicht mehr als ein willkommener Anlass, um mit dem
Musiker abzurechnen.
Der Prozess gegen den 42-Jährigen ist Rache für sein engagiertes Eintreten
für eine säkulare Gesellschaft und gute Musik. Say schrieb ein „Requiem für
Metin Altiok“. Das ist einem Dichter gewidmet, der in den 90er Jahren in
Sivas von einem religiösem Mob ermordet wurde. Say äußerte sich über die
Qualität der populären Arabesk-Musik, für die er „sich schäme“. Er bekl…
im Ausland wiederholt den religiösen Druck auf die Gesellschaft.
Zur Anklage sagte er: „Ich habe mein Leben der Erforschung der Seele des
Landes gewidmet und versucht, die anatolische Musik in der Welt bekannt zu
machen. Bevor sie mich verurteilen, sollten sie wenigstens einmal meine
Musik anhören.“ Die Anklage gegen Say hat auch zu heftigen Protesten
geführt. Mehr als 2.000 Künstler und Intellektuelle haben sich mit ihm
solidarisiert.
6 Jun 2012
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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