# taz.de -- Psychologe über Berliner Beziehungstat: „Kein spezielles Migrant… | |
> Nach der Beziehungstat in Berlin ruft der Psychologe Kazim Erdogan zu | |
> Solidarität mit der betroffenen Familie auf und warnt vor einer | |
> Stigmatisierung von Zuwanderern. | |
Bild: Ein Mann legt Blumen bei der Mahnwache für die Getötete in Berlin niede… | |
taz: Herr Erdogan, Sie arbeiten als Psychologe in Berlin-Neukölln, leiten | |
Deutschlands erste Selbsthilfegruppe für muslimische Männer und beraten | |
Ehepaare bei Streitigkeiten. Kannten Sie die Familie S. ? | |
Kazim Erdogan: Den Täter habe ich nicht persönlich gekannt, es ist eine | |
sehr große Familie. Vor etwa acht Jahren erdrosselte ein Mitglied der | |
Familie S. in Berlin seine Frau und flüchtete in die Türkei. Damals | |
betreute ich die fünf hinterbliebenen Kinder. | |
Ein Verwandter der Familie? | |
Ich kann nicht mehr mit Gewissheit sagen, in welchem Verhältnis die Männer | |
zueiander standen, ob es ein Cousin, Bruder oder Onkel war von Orhan S. | |
war. | |
Orhan S. hat seine Frau geköpft. Haben Sie in Ihrer Laufbahn jemals mit | |
solch einem Fall zu tun gehabt? | |
Ich habe ständig mit Mord und Totschlag zu tun. Aber solch eine brutale Tat | |
steht außerhalb all meiner bisherigen Erfahrungen. | |
Wie haben Sie von dieser Tat erfahren? | |
Ich habe es morgens im Radio gehört und dachte nur noch, hoffentlich hat | |
der Täter keinen Migrationshintergrund. Denn dann geht es wieder mit der | |
Stigmatisierung von Einwanderern und insbesondere von Muslimen los. Gerade | |
in letzter Zeit gab es viele Vorfälle, in denen Migranten ihre | |
Beziehungsprobleme mit Gewalt gelöst haben. Diese Anhäufung ist natürlich | |
ein Zufall, die Außenwirkung ist jedoch fatal … | |
… weil es dann heißt „Typisch Muslime! Die können ihre Probleme nicht | |
anders lösen“? | |
Genau das ist es. Wir dürfen nun nicht wieder Menschen mit | |
Zuwanderungsgeschichten diskriminieren. Diese Gewalt ist ein | |
gesamtgesellschaftliches Problem und kein spezielles Phänomen bei | |
Migranten. | |
Die türkische Tageszeitung Hürriyet hat die Namen der Opfer, insbesondere | |
der Kinder, veröffentlicht. Welche Nachwirkungen kann das für die | |
Hinterbliebenen haben? | |
Ich verstehe nicht, dass meine türkischen Landsleute alles von A bis Z | |
ausstellen müssen. Der Schaden für die Kinder ist immens, die Folgen nicht | |
vorhersehbar. Die ganze Welt weiß nun, was ihr Vater getan hat. Der Schmerz | |
wird dadurch noch größer, falls dies überhaupt noch möglich ist. | |
Sie haben gestern mit Ihrer Männergruppe eine Solidaritätsveranstaltung vor | |
dem Haus der Familie S. initiiert. Warum? | |
In unserer Gruppe ist Gewalt in der Familie ein ständiges Thema, deswegen | |
wollen wir ein Zeichen setzen. Wir haben auch ein Spendenkonto für die | |
Kinder eingerichtet, um unser Mitgefühl zu zeigen. | |
6 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
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