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# taz.de -- Bildungsforscher zum Erasmusprogramm: „Ein Urlaub mit netten Leut…
> Die Absicht im Ausland zu studieren ist durch das Erasmus-Programm nicht
> gestiegen, sagt Bildungsforscher Christoph Ehmann. Das Programm setzte
> auf Quantität statt auf Qualität.
Bild: Veranschaulicht das Erasmus-Programm: der Film „L’Auberge Espagnole�…
taz: Herr Ehmann, das Erasmus-Programm feiert seinen 25. Geburtstag. Ist
das ein Grund zum Feiern?
Christoph Ehmann: Es ist ein Grund zum Nachdenken, ob die Ziele, für die
Erasmus gegründet worden ist, überhaupt noch verfolgt werden. Erasmus wurde
ins Leben gerufen, um junge Menschen zu Trägern des Europa-Gedankens zu
machen. Aber daraus ist zu häufig die Finanzierung eines Urlaubs mit netten
Leuten geworden. Der Film „l’auberge espagnole“ hat das anschaulich
gezeigt. Die Absicht, im europäischen Ausland wirklich zu studieren, also
zu lernen, hat sich durch Erasmus nicht verstärkt. Seit rund 40 Jahren
liegt der Anteil der Studierenden, die ernsthaft im Ausland einige Zeit
studieren wollen, nahezu unverändert bei 4 Prozent.
Woran liegt das?
Ein Grund ist, dass man in der Europäischen Kommission seit Jahren auf
Quantität statt auf Qualität setzt. Ursprünglich sollte der
Auslandsaufenthalt ein Jahr dauern. Mittlerweile sind es sechs oder sogar
nur fünf Monate. Es wird sogar erörtert, den Mindestaufenthalt von drei
Monaten noch zu unterschreiten. Wie soll man in so einer kurzen Zeit
Sprache und Kultur kennenlernen? Das führt dazu, dass die Erasmus-Studenten
unter sich bleiben, aber kaum etwas von ihrem Gastland erfahren.
Aber es gibt doch vorbereitende Sprachkurse.
Die existierenden Erasmus-Sprachförderungsprogramme, insbesondere die
sogenannten Erasmus Intensive Language Courses, sind völlig unzulänglich.
Deshalb sollen sie wohl aus dem neuen Programm „Erasmus for All“ auch
herausgenommen werden. Früher mussten die Stipendienbewerber die Sprache
des Landes, in das sie wollten, schon vor der Abreise beherrschen. Aber das
hat nicht mehr funktioniert, als man die Leute nach Polen, Ungarn oder in
die baltischen Staaten geschickt hat. Jetzt bekommen die Studierenden
bestenfalls vier Wochen lang vier Stunden täglich Unterricht. Aber danach
kann man gerade einmal sein Bier bestellen.
Erasmus-Studenten bekommen 80 bis 200 Euro im Monat. Reicht das?
Nein. Die Mittel decken in der Regel die zusätzlichen Kosten eines
Auslandsaufenthalts, in etwa. Aber 50 Prozent der Studierenden in Europa
arbeiten, um sich ein Teil ihres Studiums zu finanzieren. Solche
Verdienstmöglichkeiten haben sie während des Studiums im Ausland in der
Regel nicht. Damit ist die Hälfte der Studierenden von der Teilnahme am
Programm so gut wie ausgeschlossen. Es gehen diejenigen, die Bafög und eine
Auslandszulage bekommen und die oberen 30 Prozent. Erasmus produziert eine
soziale Schieflage.
Was machen Sie anders?
Bei Campus Europae versuchen wir, Studium und Arbeit auch bei einem
Auslandsaufenthalt zu verbinden und studiennahe Arbeitsplätze zu finden.
Zum Beispiel können Lehramtsstudenten in einer
Erwachsenenbildungseinrichtung arbeiten oder Jurastudenten in einer
Rechtsanwaltskanzlei.
In Deutschland beschweren sich viele über die verschulte Struktur von
Bachelor und Master. Die Kritiker sagen, das verhindere ein
Auslandssemester. Stimmt das?
Nein. Das ist für einige eine Ausrede. Auch bevor wir den Bologna-Prozess
hatten, war ein Auslandsaufenthalt in der Regel mit dem „Verlust“ von einem
Semester verbunden. Das liegt aber vor allem daran, dass zu viele
Hochschullehrer ein Auslandsstudium ihrer Studierenden nicht wirklich
unterstützen und zum Beispiel die dort erbrachten Leistungen nicht oder nur
unzureichend anerkennen. 95 Prozent der europäischen Hochschullehrer waren
nach einer Erhebung der European University Association EUA seit der
Erlangung des Lehrstuhls nicht mehr für die Dauer eines Semesters an einer
ausländischen Hochschule.
15 Jun 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
## TAGS
Studium
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