# taz.de -- Israel schiebt Flüchtlinge ab: „Operation Heimkehr“ beginnt | |
> Die israelische Regierung schiebt ab Sonntag afrikanische Flüchtlinge ab. | |
> In dieser Woche wurden schon hunderte Südsudanesen festgenommen. | |
Bild: Ein in Israel festgenommener Flüchtling aus dem Südsudan. | |
TEL AVIV taz | Silab Bangola lebt seit zwei Wochen im Levinsky-Park, ganz | |
in der Nähe des zentralen Tel Aviver Busbahnhofs. Der Park ist gewöhnlich | |
die erste Station für frisch aus dem Auffanglager entlassene Migranten. | |
„Sie haben meinem Arbeitgeber gedroht und gesagt, dass er mich nicht mehr | |
beschäftigen soll“, sagt der 30jährige Guineer, der seit über zwei Jahren | |
in Israel lebt. „Jetzt kann ich kein Geld mehr verdienen und weiß nicht, | |
wohin.“ | |
Bangola ist Opfer der jüngsten Panik in Israel vor den zahleichen ins Land | |
kommenden Migranten. Abgeordnete hetzen gegen das „wachsende Krebsgeschwür“ | |
und versprechen Soforthilfemaßnahmen wie die Bestrafung von Arbeitgebern | |
illegaler Einwanderer. | |
Die „Operation Heimkehr“ soll die Zahl der afrikanischen Flüchtlinge vor | |
allem im Süden Tel Avivs, aber auch in Eilat und anderen Orten, | |
schrittweise reduzieren. Sicherheitsbeamte nahmen diese Woche einige | |
hundert Südsudanesen fest. Insgesamt handelt es sich um 1.500 Personen. | |
Die meisten unterzeichneten eine Freiwilligkeitserklärung, die nötig ist, | |
weil die südsudanesischen Behörden Zwangsausweisungen ablehnen. Israel | |
belohnt zeichnungswillige Erwachsene mit 1.000 Euro, für Kinder gibt es | |
400. Wer nicht unterschreibt, riskiert Gefängnis. | |
Schon am kommenden Sonntag bringt eine erste Maschine 120 Menschen aus dem | |
Südsudan nach Hause. Im Vergleich zu den ein- bis zweitausend Migranten, | |
die jeden Monat über die ägyptische Grenze nach Israel einreisen, ist das | |
ist eine verschwindend kleine Gruppe. Problematisch für Israels „Operation | |
Heimkehr“ ist, dass die große Mehrheit der „Infiltranten“, so der | |
offizielle Wortlaut, aus Eritrea und aus dem Nordsudan kommen und laut | |
Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeschoben werden dürfen. | |
## Kein Schutz | |
Insgesamt leben laut offiziellen Angaben heute rund 60.000 Migranten in | |
Israel. Dazu kommen 75.000 Ausländer, die legal eingereist und im Besitz | |
einer Arbeitserlaubnis sind. Anstatt neue Arbeiter zu rufen, „sollte Israel | |
besser die Menschen arbeiten lassen, die hier Schutz vor Verfolgung | |
suchen“, meint Sigal Rosen, Aktivistin des „Hilfzentrums für ausländische | |
Arbeiter“. Würde man die Arbeitsplätze im Baubereich, der Industrie, | |
Landwirtschaft und der häuslichen Krankenpflege an Flüchtlinge und | |
„Infiltranten“ geben, wäre das Problem weitgehend gelöst. | |
Für den Guineer Silab Bangola wäre es die Rettung. „Mir reicht es“, sagt … | |
erschöpft. „Ich kann mich selbst nicht mehr ernähren, die Polizei verfolgt | |
und durchsucht mich.“ Obwohl der Gedanke an die Heimat düstere Erinnerungen | |
weckt, sei er „schon fast entschlossen, freiwillig zu gehen“. | |
Mutter und Schwester wurden vor seinen Augen erschossen, als er vor der | |
Zwangsrekrutierung in Sierra Leone floh. „Wer sich weigerte, eine Waffe in | |
die Hand zu nehmen, dem schnitten sie die Hände ab“, sagt er. Doch Bangola | |
muss auf seine Ausreise warten, denn Guinea unterhält keine diplomatischen | |
Beziehungen mit Israel und er hat keine gültigen Reisedokumente. „Nur | |
irgendwo leben, wo es Frieden gibt“, möchte er. | |
Angestachelt von rassistischen Politikern und der hohen Bevölkerungsdichte | |
im Süden Tel Avivs, der die Stadtverwaltung nicht gewachsen ist, verleihen | |
manche Anwohner ihrem Zorn immer ungezügelter Ausdruck. Mehrere Läden und | |
Wohnungen wurden in Brand gesteckt. Immer öfter kommt es zu Prügeleien. | |
Bangola trifft aber auch Israelis, „die Mitleid zeigen“. | |
Die private Facebook-Initiative „Suppe für Levinski“ mobilisiert jeden | |
Abend Freiwillige, die den Migranten Essen bringen. „Ich bin froh über | |
jeden, der kommt“, sagt der 40jährige Israeli Oran Harel, der mit seinem | |
Fahrrad durch den Levinski-Park radelt und findet. Die Migranten, sagt er, | |
„sind Leute wie du und ich“. | |
14 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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