# taz.de -- Kolumne Blicke: Hoffnung für die Barbaren | |
> Einladung zum Abendessen: Eine Handreichung. | |
Essen muss jeder. Zum Essen einladen muss man niemanden. Schon gar nicht | |
nach Hause. Man kann in ein Restaurant gehen. Zu Hause ist es billiger. Ob | |
es auch schöner ist – kommt drauf an. | |
Ein Reihenhaus an der Peripherie einer arbeitsamen Kleinstadt. Die Wohnung | |
nett, gar nicht Boheme. Die Gastgeber eher leicht in Opposition zur ihrer | |
Heimat. Der Tisch war gedeckt, nicht festlich, aber auch nicht geschmacklos | |
– keine achteckigen Teller und so. Man bekam Wasser, nach der Anreise hatte | |
man ja Durst. Die Gastgeberin servierte dem heimischen Kind vorab Nudeln | |
mit Butter. Der Hausherr rührte die Soße. Es war seine zweite an diesem | |
Tag, denn neben der ersten war ihm eine Weinflasche geplatzt. Er hatte die | |
erste Soße weggeschmissen, weil er nicht völlig hatte ausschließen können, | |
dass sie Scherben enthalten hätte. | |
Der Hausherr entnahm dem Kühlschrank – immer munter plaudernd – eine | |
Flasche Schaumwein. Eine schöne Flasche. Er ging zum Schrank und nahm die | |
entsprechenden Gläser heraus. Sie waren nicht aus Kristall und hatte keine | |
lustigen Aufdrucke. Er schenkte ein. Die Gläser lagen gut in der Hand. Der | |
Hausherr erzählte nicht, wo der Schaumwein herkam noch wo er ihn erworben | |
noch was er gekostet. Als alle ein volles Glas hatten, stießen wir an und | |
tranken. | |
Das Getränk war kühl und schmeckte hervorragend. Der Hausherr stand auf, | |
entnahm dem Ofen frische, mit Gemüse belegte Teigfladen, stellte sie auf | |
einem großen Brett auf den Tisch und zerteilte sie handgerecht. Wir griffen | |
zu, aßen und tranken und redeten. Der Hausherr schenkte nach, stand auf und | |
holte eine zweite Flasche. Die tranken wir halb aus. Das Kind hatte fertig | |
gegessen und ging spielen, später sangen wir noch Lieder zusammen. Die | |
Hausherrin zündet sich eine Zigarette an, die Fenster standen offen, | |
draußen fiel warmer Regen. Ich tat es es ihr gleich, nachdem ich meine | |
Finger an der bereitliegenden Serviette gesäubert hatte. Einer einfachen | |
weißen Papierserviette, die neben dem Teller lag. | |
Der Hausherr räumte die Schaumweingläser ab, die Hausherrin servierte die | |
Nudeln mit der Soße. Der Hausherr kam mit einer Flasche Weißwein und neuen | |
Gläsern. Er sagte, es sei warm, und ob deswegen alle mit Weißwein | |
einverstanden seien. Das war der Fall. Zu und nach den Nudeln gab es mehr | |
vom gleichen Wein, man musste nicht fragen. Wasser gab es eh. | |
Dann stand der Hausherr auf und brachte eine ganze Salami, rohen Schinken, | |
vier verschiedene Käse und Brot. Und es gab frische Servietten. Danach aßen | |
wir Erdbeeren, die irgendwie verfeinert waren, ich erinnere mich nicht, | |
weil ich mich auf Nachspeisen nicht verstehe. Anschließend tranken wir | |
Kaffee, ohne das man um ihn hätte bitten müssen, dazu den Digestif der | |
Gegend. Den konsumierten wir bis zum Aufbruch. Der Hausherr trank ein Bier. | |
Ich war sehr glücklich, als wir uns zum Abschied alle küssten. | |
Bemerkenswert, dass ich für solche Abende fast immer bis nach Italien | |
fahren muss. Aber die Lombarden stammen von den Langobarden ab. Und die | |
waren ja Deutsche. Es gibt also noch Hoffnung für die Barbaren. | |
21 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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