# taz.de -- Halbzeitfazit zur EM: Mund abputzen, weitermachen | |
> Es ist zu heiß, zu kalt, zu nass. Die Favoriten schwächeln, die Spieler | |
> halten sich nicht an Taktik. Aber ist es auch superspannend und der böse | |
> Präsident wird nicht gezeigt. 11 Blicke auf die EM. | |
Bild: Jeden Tag ein Herzschlagfinale! Die Gruppenphase der EM 2012 war spannend… | |
1. Diese EM ist so unendlich durchdesignt, dass kaum mehr Platz für | |
Spontanität bleibt. Schon Stunden vor dem Spiel startet die Uefa ihr | |
Fanbeglückungsprogramm mit Gassenhauern. Oceana plärrt ihr "Endless Summer" | |
endless oft und endless nervtötend. Keine Spur von Stadionatmosphäre, wie | |
man sie aus der Bundesliga kennt, die Uefa sorgt dafür, dass alles | |
ordentlich und antiseptisch bleibt. Es ist ein gelenktes Fest, sogar | |
Papierkügelchen gelten jetzt als Teufelszeug. Neuerdings gibt es auch eine | |
Spieleröffnungschoreografie. Menschen in Goldgewändern rennen wie von der | |
Tarantel gestochen übers Feld. Das hat etwas von DDR-Spartakiaden oder den | |
Volksfestspielen des Kim Il Sung. Damit auch noch der Letzte mitkriegt, | |
dass der Anpfiff bevorsteht, wird ein Countdown heruntergezählt. Hier wird | |
der Zuschauer zum Deppen erklärt. Danke dafür, liebe Uefa! MV | |
2. Englands vier Mittelfeldspieler stehen in einer Reihe, die Deutschen | |
spielen mit Fünfermittelfeld, die Spanier manchmal ohne Stürmer. Doch die | |
Angriffe laufen nicht nach einer vorgegebenen Matrix ab. Das ist kein | |
Trainerfußball. Die taktisch gut geschulten Spieler kann man hinstellen, wo | |
man will. Sie machen dann schon und treffen ihre Entscheidungen aus dem | |
Bauch heraus. Das Angriffsspiel wird auf dem Platz gemacht, nicht auf der | |
Taktiktafel. ARUE | |
3. Bei der EM 2008 standen nach zwei Spieltagen schon alle Gruppensieger | |
fest, sie schickten dann ihre B-Elf aufs Feld. Langweilig. Dieses Mal stand | |
überhaupt gar nichts fest, 14 der 16 Teilnehmer spielten am letzten | |
Spieltag ums Weiterkommen, in hochkomplexen Konstellationen, die sich mit | |
jedem Tor verschoben. Jeden Tag ein Herzschlagfinale! Direkten | |
Dreiervergleich erklären ist das neue Abseits erklären. MBR | |
4. Klar, der Fallrückzieher von Mario Balotelli gegen Irland und der | |
Seitfallzieher von Zlatan Ibrahimovic gegen die Franzosen waren | |
Tor-des-Monats-würdig. Doch noch eine Klasse drüber: als Englands Theo | |
Walcott gegen zwei Schweden durchbricht, den Ball in die Mitte spielt und | |
Danny Welbeck ihn aus der Drehung mit der Hacke im schwedischen Tor | |
versenkt. 3:2. Schweden am Ende. Der schönste Pass kam übrigens von Wesley | |
Snejder. Aus dem Lauf mit dem Außenrist locker über dreißig Meter direkt in | |
den Fuß von Huntelaar. Es war der einzig positive Fußballmoment der | |
Holländer bei diesem Turnier. MBR | |
5. Es sollte doch sein Turnier werden. Und nun ist der ukrainische | |
Staatspräsident und Menschenrechtsverletzer Wiktor Janukowitsch bei der EM | |
eine mediale Persona non grata. Zwar hat er kein Stadionverbot, die | |
Ehrentribüne wurde jedoch bei den drei Vorrundenspielen der Ukraine | |
penetrant ausgeblendet. Einzige Ausnahme: der siegreiche Auftritt gegen | |
Schweden. Als das erste Tor fiel, war ein jubelnder Janukowitsch zu sehen. | |
Seitdem ist Sendepause. Aber es gab ja auch nichts mehr zu bejubeln. BO | |
6. Das lernt man auch bei dieser Fußball-EM - dass Fußball nicht in | |
meteorologisch sterilen Verhältnissen stattfinden kann, auch wenn im | |
Eröffnungsspiel das Stadiondach geschlossen wurde, um den Regen | |
auszusperren. Nicht nur als "Sommermärchen" wie 2006 mit einer Atmosphäre | |
von "Sunshine Reggae". Sondern als Melange aus schwülsten Luftlagen | |
(Ukraine!) und nässenden Verhältnissen, die vom Himmel stürzen (Polen!). | |
Man lernt: Tropische Temperaturen gibt es nicht nur in Lateinamerika, | |
sondern auch in Osteuropa. Und man lernte kennen, dass ein Spiel | |
unterbrochen werden kann, wenn es regnet, als begänne die Sintflut. Ist | |
eben nicht alles berechenbar, was den modernen Fußball auszeichnen soll. So | |
sehen wir: erschöpfte, durstige, triefnasse Spieler und Schiedsrichter. | |
Fußball bleibt eine Outdoor-Sportart. JAF | |
7. Diese Mannschaft sollte die beste deutsche Mannschaft aller Zeiten sein. | |
Nach der Vorrunde muss man leider feststellen: Früher war alles besser. | |
Auch die beste deutsche Mannschaft aller Zeiten war früher besser. DZY | |
8. Wo sind die Mannschaften, die mit konstanten Leistungen und magischen | |
Momenten bestechen? Wo sind die Spieler, die sich in die Herzen der | |
Zuschauer spielen? Es gibt sie bei dieser EM noch nicht. Auch vermeintliche | |
Starteams (Spanien) und -spieler (Ronaldo) haben ihre schlechten Momente. | |
Die Deutschen mischen da munter mit. Sie gewinnen zwar, aber die Siege | |
haben einen Makel: Sie gelingen nicht spielerisch leicht. MV | |
9. Seit Jahren erwerben die Gastgeber bei großen Fußballturnieren sich die | |
Sympathien aller anderen Teams durch frühes Ausscheiden. Südafrika, die | |
Schweiz und Österreich haben es vorgemacht, auch die Polen und die Ukraine | |
verabschiedeten sich vorzeitig. Nun sind sie nichts weiter als Kulisse. | |
Nicht gerade ermutigend für die Brasilianer, die 2014 die WM ausrichten. | |
JOK | |
10. Tore, klar, schön. Ballstaffetten, auch super. Aber was wäre Fußball | |
ohne das Drama von Roten Karten und Elfmetern? Fragen Sie mal Arjen Robben. | |
Da ging es bei der EM gut los, gleich im Auftaktspiel je einmal Rot, | |
Gelb-Rot und Strafstoß (gehalten). In den weiteren 23 Spielen aber folgte: | |
Genau noch eine Gelb-Rote Karte für einen Iren. Und wenn es doch mal | |
elfmeterwürdige Fouls gab, pfiffen die Schiedsrichter nicht (Ja, Herr | |
Stark, Sie sind gemeint). Nur bei der EM 2008 gab es ähnlich wenig | |
Platzverweise, normal ist das Doppelte, bei Elfmetern gar das Fünffache. | |
Ist das ein Ausdruck von Fairness? Sind die Spieler cleverer geworden? Oder | |
die Schiris nur ängstlicher? Egal. Wir wollen mehr Action. Sofort! MBR | |
11. Na so was: Der VfL Wolfsburg führt die Torschützenliste an. Kroatiens | |
Mandzukic traf dreifach, die Tschechen Jiracek und Pilar (kommt im Sommer) | |
doppelt. Aber gut, Wolfsburg-Trainer Magath hat ja auch geschätzte 40 | |
Spieler entsandt. EPE | |
21 Jun 2012 | |
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