| # taz.de -- Einmal Luft anhalten: Atemstillstand im Kreidesee | |
| > 160 Apnoetaucher treffen sich im niedersächsischen Hemmoor. Dabei zeigt | |
| > sich eine gewisse Distanz zwischen den blubbernden Gerätetauchern und den | |
| > stillen Apnoeisten. | |
| Bild: Und weg war er:Apnoe-Taucher mit Buddy im Kreidesee Hemmoor. | |
| HEMMOOR taz | Gelbe, rote, blaue und grüne Bojen. Dazwischen schwarze | |
| Köpfe. Keine Robben, nicht im Kreidesee Hemmoor – das sind Taucher. Der | |
| Kreidesee ist bei Tauchern beliebt: 60 Meter tief, birgt Wracks von | |
| Flugzeugen und Schiffen, mehrere Wälder, Autos, ein Segelboot, einen | |
| Laster, eine Röhre, hat viele Fische. Es kommt vor, dass Taucher unten | |
| bleiben, angesichts der vielen Tauchgänge, die hier an Wochenenden | |
| stattfinden, kann das nicht anders sein. | |
| Samstag kurz vor zehn, das Wasser ist türkis und hat eine Gänsehaut. Auf | |
| dem Steg, der die Form eines U hat, sitzen drei Apnoetaucher auf Matten – | |
| zwei Frauen und ein Mann. Sie sind barfuß, entspannt und reden übers Atmen. | |
| Die eine Frau und der Mann sitzen auf dem linken Arm des U, die andere Frau | |
| ihnen gegenüber. Der Mann trägt einen Panamahut. Bei den Atemübungen atmet | |
| man mit. | |
| „Apnoe“ ist Griechisch, wird „Apnöe“ ausgesprochen und heißt | |
| Atemstillstand. Apnoetaucher tauchen ohne Geräte, ohne künstlichen | |
| Sauerstoff, sehr tief und ziemlich lange – dafür, dass sie keine Kiemen | |
| haben. Es gibt, wie beim Klettern, auch beim Tauchen zwei Richtungen: Immer | |
| mehr Hightech die eine, immer weniger Equipment die andere Richtung. | |
| Während die Drei auf dem Steg die Region über ihrem Bauch massieren, | |
| blubbert es im Wasser, es prustet und rotzt – das kann nur ein Homo sapiens | |
| sein, so benimmt sich kein Seeungeheuer, nicht zwischen Stade und Cuxhaven. | |
| Zwei Taucher tauchen auf. Zuvörderst ein Mann, zwei Sauerstoffflaschen auf | |
| dem Buckel, schwarzer Neoprenanzug, blaue Handschuhe, gelbes Mundstück. | |
| Er legt seinen Scooter, so ein gelbes Ding mit Propeller, das ihm im Wasser | |
| die Fortbewegung erleichtert, ganz knapp neben die Matte der Frau auf dem | |
| rechten Arm des U. Das stört jetzt schon ein bisschen, beim Atmen. | |
| Apnoetaucher sind tolerant und die Frau, deren Matte gefährdet ist, | |
| protestiert stumm mit ihren Zehen und schiebt sich ein wenig nach links. | |
| Dann wuchtet sich der Mann aus dem Wasser: „Moin Neptun.“ Nach ihm eine | |
| Taucherin. Muss Neptuns Gattin Amphitrite sein. Da ist eine gewisse Distanz | |
| zwischen Gerätetauchern und Apnoeisten. | |
| Sharanne Wheeler von den „Schlickteufeln Elmshorn“, 44 Jahre alt, ehemalige | |
| Deutsche Meisterin im Apnoetauchen, die das sechste Apnoe-Happening am | |
| Kreidesee Hemmoor organisiert hat, behauptet, „dass die meisten Apnoeisten | |
| auch Gerätetauchen machen“. Umgekehrt gilt das nicht. 160 Teilnehmer sind | |
| angemeldet, 80 Apnoeisten helfen, Tauchlehrer sind da, weil viele Anfänger | |
| ausprobieren wollen, wie sich das Tauchen ohne künstlichen Sauerstoff | |
| anfühlt. „Es boomt“, sagt Wheeler. | |
| Da liegt einer im Pool, gleich hinterm Event-Zelt. Dank seines | |
| Neoprenanzugs liegt er rücklings auf dem Wasser. Das ist Tobias, 29, der im | |
| Außendienst arbeitet, wenn er nicht taucht. Er macht das Deutsche | |
| Sporttauchabzeichen des Verbands Deutscher Sporttaucher (VDST) mit „zwei | |
| Sternen“. Dazu muss er 90 Sekunden die Luft anhalten. | |
| Weil beim Apnoetauchen immer ein „Buddy“, eine Begleitperson, im Wasser | |
| sein muss, ist Detlef dabei, 49, Fernmeldetechniker. Und weil es eine | |
| Prüfung ist, steht Sven, 43, IT-Fachkraft, draußen und nimmt die Zeit. | |
| Tobias hebt den Daumen und wird von Detlef umgedreht, Nase nun unter | |
| Wasser. | |
| Die Zeit fließt. „30 Sekunden“, sagt Sven und Detlef tippt Tobias auf den | |
| Rücken. „Eine Minute“, sagt Sven, Detlef tippt Tobias auf den Rücken und | |
| tastet sein Zwerchfell ab. Am Zwerchfell merkt der Kundige, wie es um die | |
| Atmung steht. „Eine Minute 30“, sagt Sven und Detlef tippt Tobias auf den | |
| Rücken, der dreht sich wie ein Wal und hebt die Nase übers Wasser. | |
| “Die Leichtigkeit“, sagt Wheeler, „die Wendigkeit ist größer als beim | |
| Gerätetauchen, die Stille. Es ist sehr mental, man ist mit den eigenen | |
| Ängsten und Freuden befasst. Man beschäftigt sich nicht mit der Ausrüstung, | |
| sondern mit sich. Man ist innen.“ Am Steg liegen Schlappen, Clogs, | |
| Sandalen, Flip-Flops, Latschen, Adiletten, die Träger sind im Wasser. Erst | |
| sieht man den Kopf, dann ist der Kopf weg und die Flossen sind oben, dann | |
| ist das Wasser für einen Moment unruhig, dann wieder still. Still. | |
| 24 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Roger Repplinger | |
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