Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Islamistencheckliste: Beim Bauche des Propheten
> Der Islamisten-Check des Verfassungsschutzes ist ein Irrweg. Er wird
> keine Verbrechen verhindern, dafür aber die Diskriminierung verstärken.
Bild: Was in dem Kopf vorgeht, würde der Verfassungsschutz gerne wissen: Junge…
Der Versuch wirkt hilflos und er ist kontraproduktiv. Der niedersächsische
Verfassungsschutz hat in seiner Brüschüre "Radikalisierungsprozesse im
Bereich des islamistsichen Extremismus und Terrorismus" eine Checkliste mit
„Radikalisierungsmerkmalen“ aufgestellt.
Sie beginnt mit „zunehmend strengere Religionsausübung“ und endet nach 21
Punkten mit „veränderte finanzielle Situation“. Dazwischen finden sich
offensichtliche Punkte wie „Besuch radikaler Moscheen“ und weitere
Merkwürdigkeiten wie "Gewichtsverlust durch veränderte Essgewohnheiten".
Nun ist die Frage nach Radikalisierungsmerkmalen nicht von vornherein
unberechtigt. Wenn sich islamistischer Terror vornehmlich gegen „weiche
Ziele“ wie öffentliche Verkehrsmittel richtet und Selbstmordattentäter
dabei den eigenen Tod in Kauf nehmen, dann können sich die
Sicherheitsbehörden nicht auf die nachträgliche Aufklärung solcher
Anschläge oder den Schutz von Anschlagszielen beschränken.
Sie müssen also versuchen, potenzielle Gefährder frühzeitig zu erkennen, um
festzustellen, wann diese zum Beispiel mit der Herstellung von Sprengstoff
beginnen. Das hat in Deutschland bisher auch einigermaßen gut funktioniert.
Es wurden deutlich mehr Anschläge schon im Ansatz verhindert als gelungen
sind. Polizei und Verfassungsschutz haben die Szene gewaltbereiter Muslime
ganz gut im Blick. Wer neu zu dieser Szene dazustößt, wird deshalb auch
schnell als neue Gefährder identifiziert.
Problematisch sind allerdings Selbstradikalisierungsprozesse ohne Kontakt
zur islamistischen Szene, zum Beispiel durch Hetzseiten im Internet. Ein
Beispiel hierfür sind die Kofferbomber aus Nordrhein-Westfalen oder Arid
U., der am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss. In solchen
Fällen setzt der Verfassungsschutz nun verstärkt auf Hinweise des
persönlichen Umfelds.
Zwar lässt sich in vielen Fällen einer hochgefährlichen Radikalisierung im
Nachhinein feststellen, dass es sichtbare Verhaltensänderungen gegeben hat.
Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass alle Muslime, die plötzlich
religiöser werden und ihre Lebensgewohnheiten umstellen, auch potentielle
Terroristen sind. In aller Regel sind sie es nicht. Und genau deshalb ist
eine derartige Denunziationsanleitung auch gefährlich und wird zurecht
kritisiert.
Indem der Verfassungsschutz schon die Hinwendung zu einem besonders
strengen Islam als Anzeichen für potenziellen Terrorismus thematisiert,
verstärkt er das Mißtrauen und die Ausgrenzung des Islam als Ganzes.
Derartige Broschüren werden eben nicht nur von Radikalen, sondern auch von
vielen anderen Muslimen registriert und als diskriminierend wahrgenommen.
Da aber ein Gefühl des Nicht-Dazugehörens oft eine wichtige Ursache für
Radikalisierungsprozesse ist, sind solche Islamisten-Checklisten schädlich,
vor allem wenn sie auch noch veröffentlicht und an Lehrer und
Sozialarbeiter verteilt werden.
29 Jun 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## ARTIKEL ZUM THEMA
Plakate des Innenministeriums: Extrem zwiespältig
Eine Plakat-Kampagne des Innenministers sorgt für Ärger. Muslime fordern
einen Stopp der Aktion und kündigen ihre „Sicherheitspartnerschaft“ auf.
Muslime über Extremisten-Liste verärgert: Treffen mit Schünemann abgesagt
Die muslimischen Verbände haben Dialog mit dem niedersächsischen
Innenministerium aufgekündigt. Grund sei die kürzlich erschienene,
Extremisten-Checkliste des Ministeriums.
Schünemanns Salafismus-Katalog: Wer nicht isst, ist Salafist
Gewichtsverlust, Sprachkurse und das Bestehen auf Privatsphäre sind laut
Niedersachsens Innenminister Indizien dafür, dass Muslime zu radikalen
Salafisten werden.
„Islamisten-Checkliste“ in Niedersachsen: Gute Muslime haben dick zu sein
Eine „Islamisten-Checkliste“ des niedersächsischen Innenministers sorgt f�…
Aufruhr. Darin werden Gewichtsverlust, lange Reisen oder Reichtum als
Indizien für Extremismus aufgelistet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.