Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- #Fehler bei Twitter: Hier Zentrale, wir übernehmen
> Der Chef des Kurznachrichtendienstes Twitter macht sich Sorgen um anonyme
> Hassbotschaften. Eigentlich geht es ihm jedoch um mehr Kontrolle und
> Geld.
Bild: Der Mann hat eindeutig einen Vogel: Twitter-Chef Dick Costolo.
„Fasse dich kurz“, mahnte einst die Deutsche Bundespost. Und auf 140
Zeichen lässt sich eine Menge sagen. Der Kurznachrichtendienst Twitter war
nicht der Auslöser, aber ein wichtiger Transporteur der Nachrichten, Bilder
und Videos aus Tunesien, Ägypten, Syrien und Bahrain – von Aufruhr,
Revolution und Niederschlagung. Die zeitgleich mit #tatort, #justinbieber
und vielen anderen Banalitäten um Aufmerksamkeit und Konversationslust der
Nutzer kämpfen. Doch zugleich wird Twitter auch von Zeitgenossen genutzt,
welche die Welt mit Spam, Hass und Hirnlosigkeit füllen.
Twitter machte seine Sache lange sehr gut. Zu Beginn sympathisch
dilettantisch war die Startup-Bude aus San Francisco vor allem für ihren
Vogel bekannt: ein übergewichtiger blauer Vogel als Symbol, ein Haufen
Vögel, die den sogenannten Fail Whale spazieren trugen, wenn die Plattform
ausfiel. Grenzdebil, teletubbiesk, nerdig. Das konzeptionelle Gegenstück
zum auf Biegen und Brechen kommerziell ausgerichteten Facebook, das immer
Mainstream war.
Statt auf Verbindungen zwischen Menschen konzentrierte sich Twitter auf die
Inhalte. Eine Plattform, die ihren Nutzern kein Heils-, sondern ein
Konversationsversprechen macht: Irgendwer auf dieser Erde wird sich schon
für etwas interessieren, was auch dich interessiert.
Twitter war also ein wenig so wie das Internet insgesamt. Und der
Betreiber? Den interessierte es nicht die Bohne, was dort geredet wird.
Bisher.
## Mißbrauchter Schutzmantel
„Sehr frustrierend“ sei es, sagte Twitter-Chef Dick Costolo kürzlich der
Financial Times, dass man auf der einen Seite möglichst viel freie
Meinungsäußerung, auch unter dem Schutzmantel der Anonymität, bieten wolle,
aber diese oft missbraucht werde, um andere Menschen anzugehen.
Das sei die Kehrseite, und Twitter wisse noch nicht, wie es damit umgehen
solle. Probleme eines Dienstes, der einst ein kleines Nischenprodukt war –
und heute Standard für viele Internetnutzer ist. Wäre ein bisschen Eingriff
denn nicht doch im Sinne aller?
Twitter ist grundsätzlich offen: Jeder darf mitmachen, der technisch
hineinfindet. Was gar nicht schwer ist. Über eine Schnittstelle kann
Twitter zudem in andere Dienste integriert werden, in Webseiten und in die
Programme anderer Anbieter.
Was auch zu seinem enormen Wachstum beigetragen hat: Statt zentral im
Hauptquartier die Software zur Twitternutzung entwickeln zu lassen,
erledigten das Freiwillige rund um den Globus. Nur eines hat Twitter nie
gemacht: wirklich Geld verdient. Die Leute kommen, weil es eben keine
komplexe Website mit tausend Features ist. Und das soll sich nun ändern.
## Wieviel Kontrolle darf es denn sein?
Dick Costolo will solche Features nun nach und nach in Twitters eigene
Plattform integrieren. Daumen drauf und nach und nach die externen Anbieter
von Erweiterungen für den Dienst reduzieren, außer jenen, die dafür Geld
auf den Tisch legen, lautet offenbar die Strategie. Dieses Ziel des
Geldverdienens geht mit der Frage des Umgangs mit unliebsamen Inhalten Hand
in Hand. Wie viel Kontrolle soll, wie viel Kontrolle darf ein Anbieter wie
Twitter eigentlich ausüben?
Tatsächlich kommt hier die große Schwachstelle zentral organisierter
Plattformen wie Twitter, Facebook und Google zum Tragen: Während das
Internet eine Anwendung dezentraler Systeme darstellt, gibt es bei fast
allen großen Diensten Akteure, die entscheiden können, wie etwas genutzt
wird. Die von Gerichten haftbar gemacht werden können. Und die im Zweifel
nur einem wirklich verpflichtet sind: ihren Investoren. So gut denen der
Arabische Frühling als Marketinginstrument gelegen kam, so wenig sind es
Debatten über Hassbeiträge auf Twitter.
Doch das ist das Schöne am Internet: Während Twitter bald wohl die
Schrauben enger dreht, baut irgendwo sicher bereits jemand etwas Besseres.
Und dann beginnt das Spiel von vorn.
3 Jul 2012
## AUTOREN
Falk Lüke
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dokumentation auf 3sat: Modems für die Revolution
„Freiheit fürs Internet“ zeigt Möglichkeiten, die Zensur zu umgehen. Den
Zuschauern traut die Doku jedoch kaum Kompetenz zu, diese auch zu
verstehen.
Islamistische Propaganda auf Twitter: Zwischen freier Rede und Extremismus
Extremisten nutzen erfolgreich soziale Netzwerke? Die BBC bestätigt in
einem Bericht über islamistische Aktivisten den Verdacht der britischen
Regierung.
Twitter-Ausfall belustigt die Nutzer: *refresh* *refresh* *refresh*
Für viele Menschen ist Twitter zur wichtigsten Informations- und
Kommunikationsplattform geworden. Was tun, wenn der Dienst mal ausfällt?
Den Nutzern fällt da so einiges ein.
„Spam“ für den Umweltminister: Twitter-Minister Altmaier stillgelegt
„Super-Gau-Tweets“ überschwemmen das Twitterkonto des Umweltministers.
Peter Altmaier bleibt ruhig und lehnt den Einsatz einer Blockadesoftware
ab.
Kolumne Nullen und Einsen: Gemütlich in der Crowd-Couch sitzen
Lanz oder Lebenszeit? Wer Twitter hat, braucht keinen Fernseher und kann
trotzdem mitreden – aus zweiter Hand.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.