# taz.de -- Umstrittenes Kölner Beschneidungs-Urteil: Karlsruhe solls jetzt ri… | |
> Muslimische und jüdische Verbände fordern ein Gesetz, das Beschneidung an | |
> Jungen erlaubt. Die Politiker reagieren verhalten – lieber sollen | |
> Verfassungsrichter das Problem lösen. | |
Bild: Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes sollen jetzt … | |
BERLIN taz | Ein Gesetz müsse her, und zwar sofort, verlangen die | |
muslimischen und jüdischen Organisationen Deutschlands. Sie wollen | |
Klarheit: Beschneidung von Jungen müsse erlaubt sein. Seit dem Urteil des | |
Kölner Landgerichts (siehe Kasten) könnten Eltern und Ärzte sich bei | |
Beschneidungen nicht mehr sicher vor Strafe fühlen. Der Bundestag reagiert | |
allerdings eher schüchtern. | |
„Ich bin vorsichtig und zurückhaltend, ob das eine Sache ist, der sich der | |
Gesetzgeber annehmen sollte“, sagt Maria Flachsbarth, Religionspolitikerin | |
der Unionsfraktion. Das Kölner Urteil hält sie zwar für problematisch. Wer | |
jetzt aber ganz schnell ein Gesetz haben wolle, verkenne, wie lange | |
angesichts der Komplexität der Sache „die qualifizierte Willensbildung des | |
Bundestags“ brauche. „Ich wünsche mir ein Urteil des | |
Bundesverfassungsgerichts, das Rechtssicherheit schafft.“ Im gleichen Sinne | |
äußerte sich am Dienstag Justizministerin Sabine | |
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als erstes Kabinettsmitglied. | |
Darauf zu setzen, dass die Gerichte zügiger arbeiteten als der Gesetzgeber, | |
findet der FDP-Integrationspolitiker Serkan Tören falsch. Von den | |
Abgeordneten fordert er am lautesten eine gesetzliche | |
Pro-Beschneidungs-Regelung – „ich muss aber meine Fraktion noch | |
überzeugen“, sagt er. Für eine Klärung in Karlsruhe brauche es | |
„klagewillige Eltern, einen Arzt und eine Staatsanwaltschaft – das ist | |
unzumutbar“. | |
Weil das Strafrecht möglicherweise der unpassende Ort für eine Regelung | |
sei, schlägt Tören vor, sie ins Patientenrechtegesetz hineinzuschreiben. | |
Dies werde ohnehin bald im Bundestag abgestimmt: „Dann ginge das auch am | |
schnellsten.“ | |
## „Gesetzgeber ist gefordert“ | |
Wie sich die Opposition zu solch einem Vorstoß verhalten wird, wird auch | |
davon abhängen, wie die Koalition ihn platziert. Das Patientenrechtegesetz | |
ist außerhalb von Schwarz-Gelb unbeliebt, da wird die SPD nicht mitgehen. | |
Dabei denkt auch die SPD-Religionspolitikerin Kerstin Griese, der | |
„Gesetzgeber ist gefordert“. Sie sei schockiert gewesen, zu hören, dass | |
jüdische Freunde angekündigt hätten, „ihre Koffer wieder zu packen“, wenn | |
die Beschneidung nach jüdischem Ritus verboten werde. | |
Die körperliche Unversehrtheit des Kindes werde bei der Beschneidung | |
„minimal“, ein durch die Religionsfreiheit geschützter Kernbestandteil des | |
Judentums und des Islams durch ein Verbot aber „erheblich beeinträchtigt“, | |
sagt Griese. Bei der aktuellen unklaren Rechtslage könnten „am Ende die | |
Kinder Schaden nehmen“, wenn sich die Eltern an dubiose Nichtmediziner | |
wenden. | |
Aus ähnlichen Gründen haben sich in dieser Woche für die Grünen-Fraktion | |
auch Geschäftsführer Volker Beck und Chefin Renate Künast für eine Debatte | |
darüber ausgesprochen, „wie notwendige Schritte zur Schaffung der | |
Rechtssicherheit aussehen könnten“. Sie denken offenbar an einen | |
parteiübergreifenden Antrag im Sinne der jüdischen und muslimischen | |
Verbände, vermeiden aber das Wort „Gesetz“. | |
Keinen Anlass zu einer Regelung sieht dagegen Raju Sharma, | |
religionspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Die körperliche | |
Unversehrtheit des Kindes wiege schwerer als das elterliche Recht auf | |
religiöse Tradition. „Es gibt genügend religiöse Traditionen, die | |
abgeschafft wurden, weil die Gesellschaften sich weiterentwickelt haben“, | |
sagt Sharma. Nun sei bei Islam wie Judentum Kreativität gefragt, um den | |
„archaischen Kult“ der Beschneidung durch einen anderen symbolischen Akt zu | |
ersetzen. | |
11 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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