# taz.de -- Rechtsextremismus: "Wir wissen da wenig Bescheid" | |
> Seit drei Jahren vermietet ein Immobilienunternehmen die Kneipe Zum | |
> Henker in Schöneweide an einen Neonazi. Warum eigentlich? Ein Protokoll. | |
Bild: Die Nazi-Kneipe "Zum Henker": Hier bewacht von Polizisten während Protes… | |
Drei Jahre nun schon werden im Henker in der Brückenstraße in Schöneweide | |
„Himmla“-Cocktails und „Odin“-Biere über den Tresen gereicht. Von Paul | |
Barrington, ein vorbestrafter Neonazi. In seiner düsteren Kneipe besaufen | |
sich die strammsten Rechtsextremen der Stadt, trifft sich die NPD. Auf der | |
Homepage sieht man Männer in Uniformen, die nach NS-Zeit aussehen. | |
Der Verfassungsschutz nennt den Henker den „zentralen Treffort der | |
rechtsextremistischen Szene“ der Stadt. 2009 verprügelten Gäste einen | |
Migranten, dieser erblindete auf einem Auge. Regelmäßig splittern Scheiben | |
des benachbarten Büros der Linkspartei. Das Bezirksparlament beschloss, | |
„alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen“, um den Henker | |
zu schließen, Anwohner schrieben Protestkarten. | |
Nur einer rührt sich nicht, seit drei Jahren schon: der Vermieter, die ZBI | |
Zentral Boden Immobilien Gruppe. Warum eigentlich nicht? | |
Donnerstagmittag, 5. Juli. Anruf in der Berliner Geschäftsstelle der F&M | |
Finanzierungs- und Mietgesellschaft, zuständig für die Vermietung der ZBI | |
in der Hauptstadt. Frau Manthey meldet sich. Ja, sagt sie, der Henker sei | |
bekannt. Da müsse man mit Frau Borchardt sprechen, der Vermietungsleiterin. | |
Die sei erst morgen wieder im Haus, 9 Uhr. | |
Zweiter Anruf. Diesmal im fränkischen Erlangen, Hauptzentrale der ZBI, 450 | |
Kilometer weit weg von Schöneweide. Eine Neonazi-Kneipe in Berlin? Eine | |
Sekretärin verbindet mit Herrn Kreiner. Nicht da. Dann Herr Bader, sagt die | |
Frau. „Meier?“, meldet sich ein Mann. Ah, Brückenstraße, da könne er nic… | |
sagen. Aber Herr Bader. Der sei nur gerade nicht da. Später ist er es auch | |
nicht. „Der steckt im Stau. Probieren Sie’s morgen.“ Im Netz wirbt die ZBI | |
mit „sorgfältiger Auswahl der Investitionsobjekte.“ 180 Mitarbeiter, 16.000 | |
Wohnungen bundesweit. | |
Freitagmorgen, erneuter Anruf in Erlangen. Ein Herr Scheuer geht ans | |
Telefon. Herr Bader? Sei leider in einer Besprechung. Eine Stunde später: | |
Sebastian Bader hebt ab. „Folgendes“, sagt er. Bei 16.000 Wohnungen gebe es | |
„hier und da Unstimmigkeiten“. Da wisse er im Einzelnen „relativ wenig | |
Bescheid“. „Schicken Sie Ihre Fragen schriftlich.“ Wir schicken eine | |
E-Mail, 10.28 Uhr. | |
Um dieselbe Zeit, Berlin. Frau Borchardt, F&M-Vermietungsleiterin, ist | |
dran. Beim Thema Henker, sagt sie, müsse sie mit Herrn Prengel verbinden, | |
dem Niederlassungsleiter. Besetzt. Herr Prengel rufe zurück. | |
Freitagmittag. Herr Prengel hat nicht zurückgerufen. Frau Borchardt stellt | |
noch mal durch. Ja, sagt Prengel schließlich, „diese Gastronomie“ kenne er. | |
„Aber bitte schicken Sie Ihre Fragen per Fax.“ Das Fax geht raus, 13.57 | |
Uhr. | |
Montag, E-Mail aus Erlangen. Dr. Bernd Ital, ZBI-Vorstand persönlich. Auf | |
einem Foto sieht man einen ernsten Mann mit akkuratem Scheitel und | |
filigraner Brille. „Vielen Dank für Ihre Anfrage“, schreibt Ital. Dann vier | |
kurze Sätze, einer pro Frage. „Beim Ankauf des Objektes waren rechtsextreme | |
Aktivitäten nicht erkennbar. Eine Kündigung ist auf Basis des heutigen | |
Mietrechts nicht durchsetzbar. Von Dritten an uns herangetragene Bitten, | |
das Mietverhältnis zu kündigen, können aufgrund 2. nicht umgesetzt werden.“ | |
Und auf die Frage, ob die ZBI grundsätzlich Probleme habe, an Rechtsextreme | |
zu vermieten: „Sofern bei einer Mietanfrage an unsere Unternehmensgruppe | |
ein extremistischer Hintergrund angenommen werden muss, werden die | |
Vermietungsaktivitäten nicht weiter verfolgt.“ Freundliche Grüße. | |
„Letztlich sind Kündigungen eine politische Entscheidung“, sagt Kati Becker | |
vom Zentrum für Demokratie in Schöneweide. Vermieter bekannter | |
Neonazi-Locations in Berlin sind zuletzt so verfahren: Einem Rechtentreff | |
in Lichtenberg, der sich als Sozialverein tarnte, wurde gekündigt, wegen | |
arglistiger Täuschung. Dem Laden des NPD-Landeschefs, ebenfalls in | |
Schöneweide, weil dieser sich weigerte, keine rechtsextremen Gegenstände | |
mehr zu verkaufen. Auch die bei Rechten beliebten „Thor-Steinar“-Geschäfte | |
wurden verklagt. Die Filiale in Mitte schloss 2010, die in Friedrichshain | |
muss 2015 dichtmachen. Becker sagt, die Kooperationsbereitschaft der ZBI | |
sei „ausbaufähig“. Aus dem Bezirksamt ist Ähnliches zu hören. Für den | |
Henker, so Becker, könne sich die ZBI ja zumindest Auflagen überlegen oder | |
eine „kreative“ Fassadengestaltung. Man berate da gern. | |
In Berlin, bei der F&M, verweist man nun auf die Zentrale in Erlangen – | |
Nachfrage per E-Mail beim dortigen Vorstand Bernd Ital. Ob die ZBI denn | |
juristische Schritte zumindest geprüft habe? Ital antwortet am | |
Mittwochnachmittag: Habe man, erfolglos. „Wenn der Mieter gegen den | |
Mietvertrag verstößt, würden wir kündigen.“ | |
Der Vertrag gilt noch für fünf Jahre. Nun lädt der Henker wieder zur „88 | |
Cent“-Party. Die 8 für den achten Buchstaben im Alphabet, die Doppel-8: | |
Heil Hitler. | |
11 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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