# taz.de -- Die anderen Biker: NGO auf Harleys | |
> Nicht alle Rocker sind gleich kriminell: Die Kuhle Wampe unterstützt | |
> Atomgegner und Antifa | |
Bild: Nicht alle Helmträger sind Banditen. | |
Sie preisen den Sound ihrer Motorräder, tragen Kutten, und wenn Kumpels | |
Ärger haben, dann kommen sie im donnernden Konvoi angebrettert: die Biker | |
vom Motorradclub Kuhle Wampe. Man könnte sie für krawallaffine Rocker | |
halten. Allein, diese Biker diskutieren über genderneutrale Schreibweisen | |
in ihrer Satzung. Und wenn sie nicht gerade den Anti-AKW-Protest im | |
Wendland unterstützen, organisieren sie Sternfahrten gegen Nazidemos. Die | |
Kuhle Wampe, ein bundesweit agierender Club mit Berliner Chapter, | |
entspricht einer Art NGO auf Harleys. | |
„Aber auch mit einer Vespa kann man bei uns Mitglied werden“, stellt Heinz | |
Wagner gleich am Anfang klar, jeder sei willkommen. Wagner hat vor zwanzig | |
Jahren das Berliner Chapter mitgegründet, in dem sich nicht nur Fahrer, | |
sondern auch Fahrerinnen tummeln. Mit seiner rahmenlosen Brille und dem | |
grauen Sakko sieht der 49-Jährige aus wie der Mitarbeiter einer | |
Rechtsanwaltskanzlei. Und genau das ist auch sein Job. | |
Wer mit Wagner spricht, spürt schnell, wie es ihn unter der ordentlichen | |
Oberfläche wegreißt: auf Club-Ausfahrten in die Weite, nach Sankt | |
Petersburg mit seiner Honda CD 750. „Ein unspektakuläres Motorrad, so | |
zuverlässig und pflegeleicht wie eine Nähmaschine“, erklärt Wagner | |
bescheiden. Damit knattert er auch an die umkämpften Bahngleise in | |
Lüchow-Dannenberg, über die der Castortransport ins Zwischenlager Gorleben | |
rollt. Für die Anti-Castor-Aktionen der Bauern im Wendland sammeln die | |
Wampen Spenden, den Demonstranten stellen sie Zelte zur Verfügung. | |
Der Name des Clubs verweist auf einen Film aus den 1930ern, an dem Bertolt | |
Brecht mitgeschrieben hat: „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?“ Darin | |
kämpfen Arbeiter in Prenzlauer Berg ums Überleben, und es fallen allerhand | |
positive Aussagen zur Solidarität im Allgemeinen und dem Motorradfahren im | |
Besonderen. | |
Dass Rockerclubs wie die Hells Angels das Bild einer gewaltbereiten und | |
kriminellen Szene prägen und sich eher auf Schutzgelderpressung denn auf | |
Spendenvergabe verstehen, frustriert die Wampen. „Denn mit dem ganzen | |
Unsinn der Hells Angels und Bandidos haben wir nichts zu tun“, sagt Wagner. | |
„Auch wenn es bei uns durchaus die Jungs mit den breiten Schultern und der | |
bösen Gucke gibt.“ Auseinandersetzungen mit den Hells Angels oder den | |
Bandidos gebe es nicht. „Wir haben Ruhe vor den Rockerclubs“, sagt Lotte, | |
die seit zwölf Jahren Mitglied bei der Kuhlen Wampe ist. „Denn wir sprechen | |
eine gänzlich andere Zielgruppe an.“ Die Berliner Wampen kooperieren mit | |
der Antifa und betreiben ihre Werkstatt in einem linken Hausprojekt in | |
Kreuzberg. Ein Drittel der Mitglieder seien Frauen, schätzt Lotte. Mit | |
ihren 35 Jahren gehört sie zu den Jüngsten. | |
Aufmerksam guckt sie einen aus kajalumrandeten Augen an und dreht sich eine | |
Zigarette. Nasenring, viel Silberschmuck, Festival-Bändchen am Handgelenk: | |
Nie würde man sie mit einem Typen wie Heinz Wagner assoziieren. Vielleicht | |
ist es genau das, was den Charme der Kuhlen Wampe ausmacht: die Offenheit | |
für verschiedene Mitglieder. | |
Über die Mitgliederzahl will Lotte nichts sagen. Wohl auch, um nicht am | |
eigenen Mythos zu kratzen. Es ist kein Geheimnis, dass es den meisten | |
deutschen Motorradclubs an Nachwuchs mangelt. Das Versprechen der Freiheit | |
auf zwei Rädern zieht bei den heute 18-Jährigen nicht mehr. Die | |
Sozialpädagogin Lotte fährt seit dem Teenageralter. Ihr altes BMW-Gespann | |
repariert sie selbst, das Frickeln liegt ihr. „Wenn ich liegen bleibe, will | |
ich mir selbst zu helfen wissen.“ | |
Mit dem stumpf-sexistischen Frauenbild der Szene hat das wenig gemein. | |
Lotte sagt, dieser Sexismus nerve sie nicht mehr als jener, der ihr in der | |
Werbung begegne. Dass er sie trotzdem beschäftigt, scheint durch, als sie | |
von den Sommerfesten anderer Motorradclubs berichtet: keine ohne Stripshow. | |
„Die Zusammenkünfte der Wampen sehen zum Glück anders aus.“ | |
Neben den wöchentlichen Stammtischen findet jährlich ein großes Treffen | |
statt, zu dem Wampen aus allen 26 Chaptern anreisen. „Da treffen dann eher | |
emanzipierte Frauen auf emanzipierte Männer“, fasst Lotte die Lage | |
zusammen. Und statt Stripshows gebe es Kinderprogramm. | |
13 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Joanna Itzek | |
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