# taz.de -- Zeitreise zu Jane Austen: Amanda im Wunderland | |
> „Lost in Austen“ ist eine lustige Zeitreise auf den Spuren von Jane | |
> Austen (Arte, Donnerstag, 20.15 Uhr). Die Heldin sorgt für reichlich | |
> Unordnung im 19. Jahrhundert. | |
Bild: Amanda liebt Jane Austen – und findet sich mitten in ihrer Welt wieder. | |
Die sensationell erfolgreiche Kostümserie „Downton Abbey“ führt zurück in | |
das aristokratische England zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und ist | |
der Gipfel des Eskapismus. | |
Niemals vor „Downton Abbey“ wurde die wohlige Flucht in eine fiktive, | |
bessere Welt, in der Klassenschranken noch etwas gelten, so umstandslos und | |
schamlos verführerisch mit den Mitteln des Qualitätsfernsehens vollzogen. | |
Bemerkenswerterweise war die Serie bislang nicht im deutschen Free TV zu | |
sehen – daran wird sich auch heute Abend nichts ändern. | |
Jane Austens Roman „Stolz und Vorurteil“ hat in England eine ebenfalls | |
sensationelle Erfolgsgeschichte geschrieben. Das Buch wurde seit 1938 | |
mindestens zehnmal verfilmt, 1995 etwa fürs britische TV mit Colin Firth in | |
der Rolle des Mr. Darcy. Ob man den heute auf Arte gezeigten TV-Vierteiler | |
„Lost in Austen“ zu den Verfilmungen rechnen kann, ist eine interessante | |
Frage. Noch interessanter aber ist, wie die Serie mit dem Thema Eskapismus | |
umgeht: ziemlich entwaffnend nämlich. | |
Amanda Price (Jemima Rooper) ist eine Zeitgenossin Mitte 20 und wohnt im | |
Stadtteil Hammersmith in London, mit Audrey Hepburn und Blütenfotos an der | |
Wand. Viel lieber als in die Arme ihres biertrinkenden Freundes flüchtet | |
sie sich in ihre Lieblingsgeschichte: „Stolz und Vorurteil“. | |
Gleichwohl: „Ich bin nicht besessen von Darcy. Ich sitz’ nicht zu Hause mit | |
dem Pausenknopf auf Colin Firth in superengen Unterhosen, okay! – Ich mag | |
die Liebesgeschichte.“ Dann steht plötzlich genau diese Elizabeth aus jener | |
Liebesgeschichte leibhaftig vor ihr: „Es gibt eine Tür auf dem Dachboden | |
von meines Vaters Haus.“ Die Tür führt durch Zeit und Raum direkt in | |
Amandas Badezimmer. | |
Zeitreisen sind ein Roman- und Filmthema, das sich anscheinend endlos | |
variieren lässt. Ganz besonders fantastisch wird es in dem Subgenre, das | |
eine Person aus einer – fiktiven – Wirklichkeit in eine literarische Welt | |
katapultiert. Und zu den Grundmotiven gehört hier, dass der Zeitreisende | |
auf seinen Exkursionen in die Zukunft oder in die Vergangenheit eine sich | |
irgendwie falsch entwickelnde Historie zu korrigieren hat. | |
Dieser Pflicht darf sich nun auch die von Elizabeth durch die Zeit-Raum-Tür | |
geschubste Amanda nicht entziehen, nachdem – auch das macht Jux und | |
Dollerei der Serie aus – sie selbst es ist, die das Leben der Familie | |
Bennet gehörig aus der von Jane Austen vorgesehenen Bahn geworfen hat. | |
Vor Ort findet sich die moderne Frau nämlich weit weniger gut zurecht, als | |
sie das auf dem Sofa, mit dem Paperback in der Hand, immer imaginiert hat. | |
Sie spricht nicht die Sprache und hat nicht die Umgangsformen der Landed | |
Gentry an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Sie muss sich die Zähne | |
mit Birkenzweigen, Salzpuder und Kreide putzen. Sie muss ihre Schamhaare | |
erklären: „Das nennt man eine Landepiste.“ | |
Sie vermurkst es so kolossal, dass am Ende von Teil zwei Jane Bennet den | |
komischen Mr. Collins ehelicht – anstatt den lieben Mr. Bingley. Aber auch | |
Jane Austen hat das Schicksal sich einige Male wenden lassen. Es besteht | |
also noch Hoffnung für ein Happy End im Geiste der Vorlage. | |
Übrigens, für den Schauspieler Hugh Bonneville scheint das die Rolle seines | |
Lebens zu sein: der um das Familienerbe besorgte Vater, der seine Töchter | |
unter die Haube zu bringen hat. Hier gibt er den Vater Bennet, als Earl of | |
Grantham wurde er zum Star – in „Downton Abbey“. | |
## „Lost in Austen“: ab Donnerstag, 20.15 Uhr auf Arte | |
19 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## TAGS | |
Serie | |
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