# taz.de -- Öffentlicher Nahverkehr: "Ein Krieg gegen Schwarzfahrer" | |
> Aktivisten fälschen HVV-Sticker und kleben sie an Busse und Haltestellen | |
> im Kampf gegen die Kriminalisierung von Schwarzfahrern. Unternehmen | |
> belächeln Aktion. | |
Bild: Gegen den Zwang, vorne in den Bus einzusteigen: Protest-Aufkleber. | |
Für Verwirrung bei den Fahrgästen des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) | |
sorgen Aufkleber mit der Aufschrift: "Endlich wieder hinten einsteigen". In | |
verschiedenen Stadtteilen torpedierte eine Gruppe von Aktivisten damit die | |
"Vorne Einsteigen - Karte zeigen"-Kampagne, die der HVV im März 2012 | |
gestartet hat. "Viele Hamburger konnten so auf unseren Widerstand | |
aufmerksam werden", freut sich Adam Schmidt*, einer der Initiatoren der | |
Kampagne. Die Protestaufkleber sind im selben Design, wie der HVV-Sticker. | |
Nach Auskunft des HVV beträgt der jährliche Verlust der Verkehrsunternehmen | |
durch die Schwarzfahrerei geschätzte 24 Millionen Euro. Den Einstieg vorn | |
testete der Verkehrsverbund mit einem Pilotprojekt im Frühjahr 2011 in | |
Harburg und Bergedorf. Dabei erwirtschafteten die Busunternehmen ein Plus | |
von drei Millionen Euro. Die Zahl der SchwarzfahrerInnen ging von 6,6 auf | |
1,7 Prozent zurück. | |
"Durch diese Maßnahmen haben die Hamburg-Altonaden soziale | |
Ungerechtigkeiten zementiert", findet der Aktivist Schmidt. Menschen würden | |
damit "an der Teilnahme am kulturelle Leben gehindert" und die soziale | |
Verarmung der Hamburger werde vorangetrieben. | |
In der Regelung, künftig nur noch vorn mit Kartenkontrolle Bus zu fahren, | |
sieht die Gruppe um Schmidt eine "systematische Kriminalisierung von | |
Menschen ohne gültiges Ticket". Die Beförderungsbedingungen des HVV | |
besagen, dass nur "Personen von der Beförderung ausgeschlossen sind, die | |
eine Bedrohung von Sicherheit und Ordnung der Fahrgäste oder des Betriebes | |
darstellen." Diese Gefahr gehe von einem Schwarzfahrer nicht aus, sagt | |
Schmidt. Das Schwarzfahren werde über Gebühr dramatisiert. | |
"Der HVV ruft den Krieg gegen Schwarzfahrer aus und will sich somit | |
zusätzliche Millionen Euro aus Fahrkartenverkäufen sichern", behaupten die | |
Aktivisten. Dabei handle es sich um eine rein betriebswirtschaftliche | |
Maßnahme, von der die Allgemeinheit nur Verluste zu erwarten habe. | |
Schließlich sei nicht zu erwarten, dass die Tickets billiger würden. | |
HVV-Pressesprecherin Gisela Becker nimmt die Aktion eigenem Bekunden | |
zufolge nicht ernst. "Es gibt immer ein paar Scherzbolde, die Aufkleber | |
fälschen", sagt sie. Die gefälschten Aufkleber trügen nur zur Verwirrung | |
der Fahrgäste bei. Gegen die Aufkleberaktion der Aktivisten vorzugehen, sei | |
bisher jedoch nicht geplant. Die Verkehrsunternehmen seien auf die | |
Aufkleber aufmerksam gemacht worden und hätten diese umgehend entfernt. Um | |
der Verwirrung der Fahrgäste entgegen zu wirken, wolle der HVV nach den | |
Sommerferien durch Aktionen noch einmal deutlich darauf hinzuweisen, wie | |
das mit dem Einstieg vorn besser klappen könne, sagt Becker. | |
Christoph Kreienbaum, der Pressesprecher der Hochbahn, will sich inhaltlich | |
nicht zu der Einstieg-wieder-hinten-Aktion äußern. "Aufkleber sind für uns | |
keine Plattform, um politisch darüber zu diskutieren", sagt er. Mit den | |
errechneten drei bis vier Millionen Euro, die durch den Einstieg vorn | |
jährlich eingenommen werden könnten, entlaste der Verkehrsverbund die | |
Steuerzahler, sagt er. "Egal, welche Botschaft dahinter stecken mag: Vorn | |
einzusteigen, ist Schadensverringerung", findet Kreienbaum. Für ungelöste | |
Fahrkarten müsse letztlich der Steuerzahler aufkommen. | |
* Name geändert | |
18 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Yasmina Sayhi | |
## TAGS | |
Fahren ohne Fahrschein | |
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