Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zehn Jahre nach dem Staupevirus: Das große Sterben
> Vor einem Jahrzehnt verendeten mehr als 20.000 Seehunde in der Nord- und
> Ostsee. Das könnte sich demnächst wiederholen, denn viele Tiere haben
> kaum noch Antikörper.
Bild: Einer von Tausenden: Ein toter Seehund wird 2002 an der Nordsee geborgen.
HAMBURG taz | Das große Sterben begann mitten im Sommer. Zwischen
Badegästen an Nord- und Ostsee starben Seehunde, erst hunderte, dann
tausende. Nach wenigen Wochen waren etwa 21.700 der Meeressäuger verendet.
Das war im Sommer 2002.
Vor genau zehn Jahren breitete sich ein verheerendes Staupevirus an den
nordwesteuropäischen Küsten aus. Am 24. Juli berichtete das
Wattenmeersekretariat von rund 2.000 am Staupevirus gestorbenen Seehunden
im dänisch-schwedischen Kattegat und Skagerrak sowie im Wattenmeer. Vier
Monate später zog das Kieler Umweltministerium Bilanz: 7.300 Kadaver in der
Ostsee, 10.800 im Nordsee-Wattenmeer, weitere Tausende vor dänischen und
niederländischen Küsten.
Die Seehunde leiden unter Husten, blutigem Schleim und Lungenentzündungen
aufgrund eines weitgehend oder vollkommen geschwächten Immunsystems. In den
meisten Fällen führen diese Folgeerkrankungen zum Tod. Bis zum Jahresende
stirbt gut die Hälfte der gesamten Population in Nord- und Ostsee.
„Wir haben beobachtet, gesammelt, untersucht und diskutiert – aber nicht in
die Natur eingegriffen. Das machte keinen Sinn“, sagt Jens Enemark, damals
Leiter des Wattenmeersekretariats. Flächendeckende Impfungen waren nicht
möglich und die Ursachen unbekannt. Bis heute rätseln Experten, woher das
tödliche Virus stammte. „Junge Sattel- und arktische Klappmützen-Robben
könnten es eingeschleppt haben“, vermutet der Meeressäuger-Experte Michael
Stede aus Cuxhaven. Sie könnten bei ihren Wanderungen nach Süden die
Seehunde angesteckt haben.
Bereits im Jahr 1988 hatte sich das Staupevirus von der dänischen Insel
Anholt im Kattegat aus verbreitet und für ein Massensterben von Seehunden
gesorgt. Der ersten Seuche waren mit etwa 18.000 Tieren rund 60 Prozent des
Bestandes zum Opfer gefallen. Im Herbst 2006 wurden schon wieder rund
15.000 Seehunde an den Küsten Dänemarks, der Niederlande und Deutschlands
gezählt, aktuell dürfte er bei etwa 25.000 Exemplaren liegen.
Derzeit gelten die Seehundbestände in Deutschland, Dänemark und den
Niederlanden als gesund und stabil. „Die Tiere haben aber kaum noch
Antikörper zum Schutz gegen das Virus“, warnt die Öko-Toxikologin Ursula
Siebert. Irgendwann könnte der Erreger wieder tödliche Kreise ziehen. Denn
die Befürchtung ist, dass das Virus bei Kegelrobben „geparkt“ sein könnte.
Diese sind gegen den Virus unempfindlich, könnten aber Seehunde anstecken.
Auf der Helgoländer Düne und auf den großen Sänden vor Amrum und Sylt leben
Seehunde und Kegelrobben in dichter Nachbarschaft.
Überlebende Tiere bilden Antikörper und sind danach für einige Jahre immun
gegen die Seuche. Allerdings lassen die Abwehrkräfte mit der Zeit nach. Die
Gefahr ist: Das große Sterben vor den Küsten könnte sich erneut
wiederholen.
23 Jul 2012
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Nordsee
## ARTIKEL ZUM THEMA
Seehunde an der Nordsee: Das Missverständnis mit den Heulern
Etwa 2.000 Seehunde werden jedes Jahr an der Nordsee geboren. Weil sie so
niedlich sind, wollen viele Urlauber helfen. Das verursacht Probleme.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.