# taz.de -- DIE WAHRHEIT: Tod eines Pekinesen | |
> Einkaufsbummel mit Folgen: Drei Damen begegnen dem Sensenmann. | |
Bild: Der Wachwechsel am rechtsdrehenden Gyros-Spieß in Athen zieht scharenwei… | |
Betty und Bernadette waren es leid. All zu fade erschien ihnen, den beiden | |
beruflich ausgesprochen erfolgreichen Single-Damen, das Angebot, das der | |
Münsteraner Einzelhandel am Prinzipalmarkt und drumherum für sie bereit | |
hielt. „Inhabergeführt ist zwar gut und schön“, sagte Betty, die es | |
verstand, die Dinge auf den Punkt zu bringen, „aber großes Kino ist | |
woanders.“ Voller Tatendrang beschlossen die beiden westfälischen | |
Spitzenkaufkräfte aus ihrem grauen Shoppingalltag auszubrechen. Mit der | |
Bahncard Gold wurden zwei Tickets in die Landeshauptstadt Düsseldorf | |
gelöst. Bei der Fahrt mit dabei: die treue, schon etwas in die Jahre | |
gekommene Pekinesin Angelina. Ihr Ziel hatten die drei Ladys fest im Blick: | |
die legendäre Einkaufsmeile der Reichen und Schönen von Düsseldorf, die | |
Königsallee, kurz Kö genannt von allen, die nicht von vorgestern waren. Und | |
so lautete das Motto der Abenteuerreise dann auch folgerichtig: „Wer billig | |
kauft, kauft teuer.“ | |
Auf der Kö angekommen, stärkten sich die Königinnen des Kaufrauschs | |
zunächst einmal mit einem Latte Macchiato Special im Eiscafé Leonardo und | |
stürzten sich dann kopfüber hinein ins Einkaufsvergnügen. Brioni, Gucci, | |
Ermenegildo Zegno, Massimo Dutti und Salvatore Ferragamo, das war doch | |
etwas anderes als Schnitzler, Petzhold, Oeding + Erdel und Stuhlmacher, das | |
versprühte den Duft der großen weiten Welt, seufzten sie aus tiefster | |
Brust, und ebendiese zitterte vor Freude über jede neue Errungenschaft, | |
jedes neue Duftwässerchen. Vielleicht wurde auch ein wenig zu viel des | |
Parfüms hier, des Parfüms da versprüht. Denn plötzlich passierte es, das | |
Unfassbare: Gevatter Tod trat mitten unter sie und senste eine von ihnen | |
fort – ausgerechnet bei Prada, nein, wie peinlich: Plop, Angelina fiel tot | |
um, direkt neben der Miu Miu Collection. War mausetot. Lag da mit ihrem | |
üppigen Haarkleid zwischen teuren Taschen und edlen Fummeln und rührte sich | |
partout nicht mehr. Wiederbelebung zwecklos. | |
Alle waren geschockt, selbst die sonst so bussifreundlichen Priesterinnen | |
des gehobenen Einkaufstempels. Doch was tun? Wie die arg verfahrene | |
Situation ins rechte Lot bringen? Wie ablenken vom Sensenmann und seinem | |
Opfer, das, ach, so niedlich da lag. Bloß jeden Menschenauflauf vermeiden | |
und einen artgerechten Weitereinkauf ermöglichen, das war jetzt das Zeichen | |
der Zeit. Also griff eine resolute Verkäuferin, eine sehr gepflegte | |
Eurasierin mit anmutigem Teint, geistesgegenwärtig zu einem Seidentuch und | |
wickelte das tote Hündchen ganz vorsichtig darin ein. Zwar war den | |
Münsteraner Damen die Lust am Power-Shoppen gründlich vergangen, dennoch | |
kauften sie auf die Schnelle und etwas unmotiviert noch zwei Prada-Brillen | |
mit getönten Gläsern, die im Wow-Sale von 170 auf 65 Euro heruntergesetzt | |
worden waren. | |
Und schon ging es ab, nein, nicht noch in die Altstadt, nicht auf einen | |
Nachglüher passend zum schweren Todesfall, nein, es ging heim, zurück in | |
die beschauliche Westfalenmetropole. Sollte doch die verstorbene | |
Pekinesinnendame ihren Seelenfrieden in der Heimat finden. Der Zug Richtung | |
Hamburg-Altona wartete schon auf dem Bahnsteig 17. Schrecklich überfüllt | |
waren die Eisenbahnwaggons, erst ganz am Ende in einem angehängten, | |
eigentlich bereits ausrangierten Interregio-Wagen fanden die Damen, die | |
ihren tiefen Schmerz nur mühsam unterdrücken konnten, einen Platz. Und | |
einen Ehrenplatz hatten sie Angelina gewährt, in ihrem feinen, kleinen | |
Sarkophag von Prada-Tasche deponierten sie das Hundilein in die zentrale | |
Gepäckablage über ihren Köpfen. Dann sanken die beiden Busenfreundinnen, | |
erschöpft von solcherlei Unbill und Verlust, nieder und gönnten sich ein | |
ehrliches Nickerchen. | |
Nur neunzig Minuten später, der Zug hatte kaum Verspätung, waren sie wieder | |
in Münster, die Baustelle von Bahnhof hieß die Weitgereisten willkommen. | |
Doch was war das?! Herrje! O Graus! Eine Lücke! Düstere Leere! Das | |
Täschlein war nicht mehr da. Nicht da, wo sie es hingestellt hatten. | |
Irgendjemand musste, vom teuren Schriftzeichen angelockt, es entführt, wenn | |
nicht gestohlen haben. Egal ob der Dieb aus Wanne-Eickel oder Bochum kam, | |
eins ist jedenfalls sicher: Der Teufel trägt tatsächlich Prada. | |
25 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Frank Biermann | |
## TAGS | |
Griechenland | |
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