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# taz.de -- Lehrer in Baden-Württemberg: Geheimdienst findet Gericht belanglos
> Ein Lehrer klagt erfolgreich gegen sein Berufsverbot. Der
> Verfassungsschutz beobachtet ihn trotzdem weiter. Angeblich werde er von
> Linksextremen unterstützt.
Bild: Michael Csaszkóczy: Vor Gericht erfolgreich und trotzdem im Visier des V…
BERLIN taz | Michael Csaszkóczy hat lange dafür gekämpft, Deutsch,
Geschichte und Kunst an einer Realschule bei Karlsruhe unterrichten zu
dürfen. Vor acht Jahren verweigerte ihm das Land Baden-Württemberg den
Eintritt in den Schuldienst – weil sich Csaszkóczy in der
Antifaschistischen Initiative Heidelberg engagierte, hatte das
Kultusministerium Zweifel an seiner Verfassungstreue angemeldet.
Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen: Es war das erste Mal seit langem,
dass ein Lehrer in Deutschland wegen seiner politischen Haltung mit einem
Berufsverbot belegt wurde. Der „Radikalenerlass“ galt eigentlich als längst
eingemottet.
Csaszkóczy klagte. Und hatte Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim
(VGH) hob das Berufsverbot 2007 endgültig auf, das Land musste Csaszkóczy
einstellen. Mehr noch: Das Landgericht Karlsruhe verurteilte
Baden-Württemberg vor zwei Jahren sogar dazu, Csaszkóczy 32.777 Euro
Schadenersatz zu zahlen. „Meine politische Haltung hat für meinen Beruf als
Lehrer noch nie eine Rolle gespielt“, sagt Csaszkóczy. Man könnte meinen,
damit wäre der Fall erledigt.
Trotzdem beobachtet der Verfassungsschutz den Realschullehrer weiterhin.
„Das ist eine vehemente Beeinträchtigung meines Lebens“, sagt Csaszkóczy.
„Es ist nicht schön, mit dem Gefühl zu leben, dass Spitzel auf einen
angesetzt sind oder Telefonate abgehört werden können.“
## Verfassungsschutz will Daten nicht löschen
Wie weit die Observation reicht, weiß der Realschullehrer nicht. Auf Antrag
ließ das Bundesamt für Verfassungsschutz ihn ausdrücklich nur einen Teil
der gespeicherten Informationen einsehen. Die Liste, die das Bundesamt für
Verfassungsschutz über den Lehrer angefertigt hat, enthält unter anderem
Angaben über Demonstrationen und Veranstaltungen, an denen Csaszkóczy
teilnahm. Eine Löschung der Einträge und ein Ende der Datensammlung
verweigerte das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Csaszkóczy klagt daher jetzt vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die
Beobachtung. Gegenüber der taz will sich das Bundesamt für
Verfassungsschutz nicht zum Fall äußern. Die Prozessgruppe, die Csaszkóczys
Rechtsstreit unterstützt, hat jedoch Teile der Klageerwiderung im Internet
veröffentlicht.
Darin schreibt die Behörde, die Gerichtsentscheidung zu Csaszkóczys
Verfassungstreue, hätte „keine Präjudizwirkung auf die verfassungsrechtlich
zulässige Beobachtung“. Im Klartext heißt das: Was ein Gericht sagt, ist
für die Arbeit des Geheimdienstes belanglos.
„Darüber hinaus lagen dem VGH nicht alle dem BfV vorliegenden Erkenntnisse
vor.“ Sonst hätte es womöglich anders entschieden. Für Csaszkóczy klingt
das wie eine Drohung: Es sei, sagt er, als hänge das Damoklesschwert eines
Berufsverbots immer noch über ihm – trotz der Entscheidung des Gerichts.
Verdächtig scheint sich Csaszkóczy aus Sicht der Verfassungsschützer
allerdings auch mit seinen Klagen gemacht zu haben. Denn diese seien
„überwiegend von linksextremistischen Organisationen kampagnenartig
begleitet“ worden.
Interessant ist, wer dabei alles ins Visier des Verfassungsschutzes geraten
ist: So listet der Geheimdienst auch eine Kundgebung der Gewerkschaft für
Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Karlsruhe aus dem Jahr 2006, die sich
für Csaszkóczy einsetzte. Bisher war die Lehrergewerkschaft nicht durch
Umsturzpläne aufgefallen.
27 Jul 2012
## AUTOREN
Bernd Kramer
Bernd Kramer
## TAGS
Radikalenerlass
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