# taz.de -- Mutmaßliche Al-Qaida-Zelle: Der Dusel von Düsseldorf | |
> Die deutschen Behörden sahen bei den Ermittlungen zur „Düsseldorfer | |
> Zelle“ nicht ganz so gut aus, wie sie tun. Sie hätten die vier viel | |
> früher entdecken können. | |
Bild: Abdeladim El-K. umarmt einen der Mitangeklagten zum Prozessauftakt im Du�… | |
BERLIN taz | Stolz verweisen die deutschen Sicherheitsbehörden auf ihre | |
Erfolge im Kampf gegen den islamistischen Terror. Unvergesslich etwa, wie | |
nach der Festnahme der "Sauerlandgruppe" im September 2007 die Ermittler | |
den Medien die blauen Chemikalienfässer der gescheiterten Attentäter | |
präsentierten. | |
Auch im Fall der mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder der "Düsseldorfer Zelle" | |
wurde die Festnahme im vergangenen Jahr als voller Erfolg einer knapp sechs | |
Monate dauernden Komplettüberwachung präsentiert. Erstmals konnte das BKA | |
seine neuen Befugnisse zur Gefahrenabwehr ausreizen und dann am 29. April | |
2011 drei Männer dingfest machen, noch bevor sie eine Bombe bauen konnten; | |
ein vierter Mann folgte später. | |
Professionelle Polizeiarbeit, lautete auch hier die Botschaft. Doch wer die | |
Akten zu dem Prozess studiert, der am Mittwoch im Hochsicherheitstrakt des | |
Oberlandesgerichts in Düsseldorf begann, bekommt einen etwas anderen | |
Eindruck. Mag sein, dass die deutschen Behörden ab Herbst 2010 ihren Job | |
machten - davor taten sie es nicht. | |
Nach Informationen der taz sollen zumindest zwei der vier Männer schon seit | |
spätestens 2008 Kontakt zu äußerst radikalen Kreisen gehabt haben. Trotzdem | |
ist den deutschen Behörden nicht aufgefallen, was sich da an Rhein und Ruhr | |
zusammenbraute. Am Ende kamen sie der "Düsseldorfer Zelle" nur durch Zufall | |
und mithilfe ausländischer Geheimdienste auf die Spur. | |
## Ein Freund sprengte sich in Kundus in die Luft | |
Der Jüngste der Angeklagten, der heute 21-jährige Amid C. aus Bochum, war | |
eng mit einem Islamisten aus seiner Nachbarschaft befreundet: Said Ballout. | |
Ihn kannte die interessierte Öffentlichkeit bisher nur unter dem Alias | |
"Farooq al-Almani", unter dem er in einem Internetvideo aus dem | |
afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet als "Märtyrer" gefeiert wurde. | |
Am 2. Juli 2010 hatte sich Ballout als Teil eines Selbstmordkommandos im | |
afghanischen Kundus in die Luft gesprengt. Bei dem Angriff auf ein | |
Gästehaus der US-Hilfsorganisation DAI wurden fünf Menschen in den Tod | |
gerissen, darunter ein 32-jähriger Schleswig-Holsteiner. | |
Die Frage, die sich heute stellt: Warum sind die deutschen | |
Sicherheitsbehörden über Ballout nicht schon früher auf dessen Freund Amid | |
C. aufmerksam geworden? Umso mehr, als Amid C. laut der mehr als 400 Seiten | |
langen Anklage im Düsseldorfer Terrorprozess Ende November 2009 zeitgleich | |
mit dem späteren Selbstmordattentäter in die iranische Stadt Maschad | |
gereist sein soll. Ballout gelang es von dort aus, in ein Terrorlager in | |
Pakistan weiterzureisen, während sein Kumpel Amid C. wenige Tage später aus | |
unklaren Gründen nach Deutschland zurückkehrte. Er selbst sagt zum | |
Hintergrund der Reise nichts, wie überhaupt alle vier Angeklagten bisher zu | |
den massiven Vorwürfen schweigen. | |
Normalerweise werden Islamisten, von denen die Behörden vermuten, sie seien | |
auf dem Weg in ein Terrorlager oder gar dort gewesen, nach ihrer Rückkehr | |
streng überwacht. Wäre das bei Amid C. der Fall gewesen, hätten die | |
Behörden schon viel früher auf die spätere "Düsseldorfer Zelle" aufmerksam | |
werden können. Aber auch weil die Identifizierung seines Attentäterfreundes | |
fast eineinhalb Jahre dauerte, hatten sie ihn nicht auf dem Schirm. Genauso | |
wenig wie Abdeladim El-K., den Kopf der mutmaßlichen Al-Qaida-Zelle. | |
## Kennenlernen in der Moschee | |
Den heute 31-Jährigen kennt Amid C. seit 2008. Sie hatten sich in einer | |
Bochumer Moschee getroffen, die schon seit Jahren von den Behörden beäugt | |
wird, auch weil dort einst einer der 9/11-Todespiloten gebetet haben soll. | |
Und das ist noch nicht alles. Sowohl Abdeladim El-K. als auch Amid C. | |
sollen Kontakt zu einem Mann gehabt haben, den der Staatsschutz ebenfalls | |
schon lange im Visier hat: dem bisher öffentlich kaum bekannten Bochumer | |
Prediger Sami A. Der soll 1999 und 2000 in Afghanistan gewesen sein und | |
stand im Verdacht, im Al-Qaida-Ausbildungslager al-Farouk trainiert worden | |
zu sein. Weiter wurde vermutet, dass er dort den damaligen Vize der | |
Terrororganisation getroffen und sogar der Leibgarde von Osama bin Laden | |
angehört haben soll. | |
Einige Jahre später ermittelte die Bundesanwaltschaft gegen Sami A., konnte | |
ihm die Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorgruppe aber nicht | |
nachweisen und stellte das Verfahren 2007 ein. Brisant ist aus heutiger | |
Sicht aber eine 01 76-Nummer, die bereits in diesen Ermittlungen in den | |
Handyverbindungsdaten des Mannes auftauchte: Es ist die von Abdeladim El-K. | |
Doch trotz all der zweifelhaften Kontakte bekamen die Deutschen nicht mit, | |
wie El-K. sich zum Jahresanfang 2010 mutmaßlich in das Al-Qaida-Lager | |
"Badr" in Pakistan absetzte und im Mai nach Deutschland zurückreiste, wo er | |
später in einer Wohnung in Düsseldorf-Bilk versucht haben soll, mit seinen | |
Männern einen "aufsehenerregenden Anschlag" zu planen, so die Anklage. | |
## Terrorverdächtiger "Schmitz" meldete sich | |
Dass die deutschen Behörden dies überhaupt mitbekamen, verdanken sie nur | |
einer gehörigen Portion Dusel. Denn im November 2010 meldete sich völlig | |
unerwartet ein Wuppertaler Terrorverdächtiger unter dem falschen Namen | |
"Schmitz" aus Pakistan beim BKA und berichtete von zwei Männern. Diese | |
seien in Deutschland und planten einen Anschlag in einer Menschenmenge. | |
Einer davon soll ein Marokkaner sein. Das passt zwar im Rückblick auf | |
El-K., nicht aber passen andere Details, die der ominöse Anrufer nannte, | |
nämlich dass der vermeintliche Marokkaner mit den Terrorplänen um die 22 | |
Jahre alt sei und aus dem Großraum Berlin komme. | |
Von nun an waren die deutschen Behörden zwar höchst alarmiert. Doch allein | |
kamen sie Abdeladim El-K. und den anderen Männern nicht auf die Spur. Der | |
entscheidende Hinweis, der zur mutmaßlichen Al-Qaida-Terrorzelle in | |
Düsseldorf führte, soll am Ende nicht aus eigenen Erkenntnissen, sondern | |
von einem US-amerikanischen Geheimdienst gekommen sein. | |
Das Verfahren gegen die vier Männer wird am 20. August fortgesetzt - und | |
verspricht noch einige Überraschungen. | |
28 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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