# taz.de -- Proteste gegen Papierfabrik in Ostchina: Das Volk stürmt das Regie… | |
> Umgekippte Autos, ein gestürmtes Regierungsbüro, ein zerzauster | |
> Parteisekretär: In Ostchina haben Tausende erfolgreich gegen eine | |
> Abwasserpipeline protestiert. | |
Bild: Den Respekt vor der Staatsmacht verloren: Demonstranten schlagen in Qidon… | |
PEKING taz | Der Protest war lange geplant: Schülerinnen und Schüler hatten | |
vor zwei Wochen angekündigt, dass sie an diesem Samstag im ostchinesischen | |
Qidong gegen die geplante Abwasserpipeline eines japanischen | |
Papierunternehmens auf die Straße gehen würden. | |
Die Demonstration am Samstag in der Industriestadt Nahe Schanghai übertraf | |
jedoch auch die Erwartungen der Schüler. Zehntausende versammelten sich | |
zunächst friedlich vor dem Regierungsgebäude der Millionenstadt an der | |
Yangtse-Mündung. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua schrieb von 5.000 | |
Teilnehmern. Die Demonstranten schätzten die Zahl auf 50.000. Auf dem | |
twitterähnlichem Mikroblogging-Dienst Sina Weibo war sogar von 100.000 | |
Teilnehmern die Rede. | |
„Alles ist voll“, schrieb ein Mikroblogger. Auf den Dächern stünden die | |
Menschen, in den umliegenden Straßen, für Autofahrer gebe es kein Vor und | |
kein Zurück mehr. Besonders ein Foto machte über Weibo die Runde: Es zeigt | |
den Parteisekretär der Stadt in zerrissener Kleidung, wie er unter Geleit | |
von Sicherheitskräften vor den Menschenmengen flüchtet. Mittlerweile ist | |
das Bild nicht mehr zu finden. Die Zensurbehörde hat alle Einträge über die | |
Proteste sperren lassen. | |
Augenzeugen berichten, dass Demonstranten das Büro der Lokalregierung | |
gestürmt haben und kistenweise Alkohol und Zigaretten auf die Straße | |
schmissen. Die gelten als Symbol der Korruption in China, weil Beamte mit | |
Geschenken dieser Art häufig bestochen werden. | |
Bereitschaftspolizisten versuchten zu intervenieren. Als sie aber an einer | |
Straßenkreuzung beginnen wollten, die Menge aufzulösen, kam es zu | |
handfesten Auseinandersetzungen. Wütende Demonstranten schmissen mehrere | |
Autos um und randalierten. Die völlig überforderten Polizisten hatten keine | |
Chance. Die Massendemonstration löste sich erst auf, nachdem die | |
Stadtregierung auf ihrer Webseite mitteilte, dass sie das Abwasserprojekt | |
stoppen werde. Das Vorhaben sei endgültig aufgegeben worden, teilte | |
Bürgermeister Zhang Guohua mit. | |
## Täglich 150.000 Tonnen Abwasser | |
Der Unmut der Bürger richtet sich gegen Pläne des japanischen | |
Papierherstellers Oji. Durch die 100 Kilometer lange Leitung wollte das | |
Unternehmen große Mengen Schmutzwasser der Fabrik ins Meer pumpen. Die | |
Einwohner befürchten, das Projekt könnte die ohnehin bereits stark | |
dezimierten Fischbestände weiter zerstören. Die Zeitung Global Times | |
berichtet, dass täglich bis zu 150.000 Tonnen Abwasser ins Meer gelangen. | |
Noch am Freitag hatte die Leitung des japanischen Unternehmens versichert, | |
entsprechend örtlicher Normen geklärtes Wasser ins Meer zu leiten. | |
„Umweltschutz hat für unser Unternehmen eine hohe Priorität“, hieß es in | |
einer Erklärung. Aber weil die Behörden diese Pläne genehmigt hatten, | |
richtete sich der Ärger der Bürger vor allem gegen die Stadtregierung. | |
Die Schüler, die zu der Demonstration in Qidong aufgerufen hatten, fühlten | |
sich inspiriert durch ähnliche Proteste Anfang des Monats in der | |
südwestchinesischen Stadt Shifang. Dort hatte es ab dem 3. Juli | |
Massendemonstrationen mit tagelanger Straßenrandale gegen ein | |
Industrieprojekt gegeben. Auch dort mussten die Behörden die Pläne | |
aufgeben. | |
29 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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