# taz.de -- Handgemachte Kämme: Von Lüneburg in die weite Welt | |
> Rund um den Globus sind schwarze Kämme mit dem goldenen Schriftzug | |
> "Hercules Sägemann" im Einsatz. Hergestellt werden sie in einer | |
> Manufaktur in Lüneburg. | |
Bild: Exportschlager aus Lüneburg: Kamm von Herculus Sägemann. | |
LÜNEBURG taz | Schwer hängt der Geruch von Schwefel und Leinöl in der | |
Halle. Dick quillt eine grünlich-gelbe Masse über die beheizte Metallrolle | |
einer hammerschlaggrün lackierten Walze. „Das ist Kautschuk“, sagt Senad | |
Sarac. „Der wird auf der Walze so lange angewärmt und angedrückt, bis sich | |
keine Luftblase mehr in der Masse verstecken kann. Erst dann wird die | |
Rohware zur Weiterverarbeitung frei gegeben.“ | |
Der 33-Jährige ist Marketingmann und schaut regelmäßig vorbei in der | |
Produktionshalle von Hercules Sägemann in einem Industriegebiet am Rand von | |
Lüneburg. In der modernen Halle wird ein Traditionsprodukt hergestellt, das | |
global gefragt ist: Haarkämme aus Hartgummi, auch Ebonit genannt. | |
Weltweit ist die Hercules Sägemann GmbH das einzige Unternehmen, das heute | |
noch solche Kämme aus Naturkautschuk herstellt. Das macht die einstige | |
New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie AG (NYH) schon seit 1871, und an | |
den Arbeitsabläufen hat sich so viel nicht geändert: 35 Arbeitsschritte | |
liegen zwischen einer Portion Naturkautschuk und einem schwarzen, edel | |
glänzenden Kamm mit der aufgeprägten Typenbezeichnung und dem Schriftzug | |
„Hercules Sägemann“. | |
Für die exklusive Prägung in Blattgold ist Arcina da Silva verantwortlich. | |
Seit 21 Jahren arbeitet die gebürtige Portugiesin in der Kammfabrik. Bei | |
Kollegin Karin Koffler, die ihr an einer weiteren manuellen Prägemaschine | |
gegenübersitzt, sind es sogar 28 Jahre. Das Gros der Arbeitsschritte – vom | |
Beseitigen der scharfen Kanten am dunkelgrünen Kammrohling bis zum finalen | |
Polieren und Prägen des tiefschwarzen Werkzeugs – wird per Hand erledigt. | |
„Wir sind keine Fabrik, wir sind eine Manufaktur“, erklärt Sarac. | |
Auf diesen feinen Unterschied ist man im Unternehmen ausgesprochen stolz. | |
Anders als beispielsweise im Falle der Porzellanmanufaktur Meissen oder bei | |
Mont Blanc wissen bei Hercules Sägemann aber längst nicht alle Kunden, was | |
sie da eigentlich in der Hand halten. Das soll sich ändern: Das Unternehmen | |
ist dabei, sich neu aufzustellen, wie das im Marketing heißt. | |
Im Verwaltungstrakt gegenüber der Fabrikhalle haben die Zuständigen den | |
Privatkunden ins Visier genommen – und der muss erst noch lernen, was | |
Fachleute in aller Welt schon lange wissen. So greift etwa der Berliner | |
Dennis Creuzberg – 2009 als bester Hairstylist Deutschlands ausgezeichnet – | |
zu den Kämmen aus Lüneburg: weil sie antistatische Wirkung haben, extrem | |
elastisch sind und jeder einzelne Zahn sauber geschliffen und poliert ist. | |
In mehr als 60 Länder werden derzeit Kämme und Bürsten exportiert, und | |
darauf ist auch Bernd Menzel ausgesprochen stolz. Er steuert die Geschicke | |
der NYH, die auch Schläuche und anderes Zubehör für die Autoindustrie | |
produziert. | |
Das Modell mit der Nummer 627-374’7 ist nach Angaben des Unternehmens gar | |
der meistverkaufte Kamm der Welt. Auch dieser Bestseller landet bei der | |
Herstellung irgendwann in der „Biduma“: Dieser Koloss von Maschine schleift | |
den letzten Grat zwischen den Zähnen ab. Danach geht es für die dunkelgrün | |
schimmernden Kämme weiter in die Poliermaschinen, in denen sie über | |
Stoffwalzen laufen und ihre endgültige Farbe erhalten: Dann glänzen die | |
Exportschlager, als wären sie mit Klavierlack überzogen. | |
2009 fiel die Entscheidung, den alten NYH-Standort im Binnenhafen von | |
Hamburg-Harburg aufzugeben. In dem alten Backsteinspeicher wurde auf | |
mehreren Stockwerken produziert – wodurch die Wege schlicht zu lang wurden. | |
Also entschied sich die Leitung für einen Neuanfang in Lüneburg. Und die | |
Kämme wären dabei beinahe auf der Strecke geblieben, erinnert sich Arcina | |
da Silva. Per Rundschreiben habe die Firma den Kunden das mitgeteilt: „Wir | |
waren eigentlich schon entlassen.“ Eine Welle von Protestbriefen und – | |
parallel dazu – zahllose Bestellungen sorgten dafür, dass man wieder Kämme | |
herstellte und auch die alten Maschinen schließlich nach Lüneburg geschafft | |
wurden. | |
75 Kammmacher arbeiten derzeit in der Fabrikhalle – und kommen kaum mit der | |
Produktion hinterher, wie ein Blick in das Lager nahelegt: Dort klaffen | |
beachtliche Lücken – für Senad Sarac vom Marketing ist das ein gutes | |
Zeichen. Er setzt auf Individualität und will Privatkunden irgendwann sogar | |
den Kamm mit ihren persönlichen Initialen anbieten – geprägt in goldenen | |
Lettern. Für die ist dann Arcina da Silva zuständig. | |
13 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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