# taz.de -- Rechte Gewalt in Ungarn: „Wir bringen euch um!“ | |
> 400 ungarische Rechtsextreme fallen in die Kleinstadt Cegléd ein und | |
> schüchtern Roma-Familien ein. Aus Angst vor Übegriffen verlassen viele | |
> Roma das Land. | |
Bild: 400 Rechtsextreme marschieren in Cegléd gegen Roma-Familien auf. | |
WIEN taz | Rechte paramilitärische Gruppen marschieren in Ungarn wieder | |
gegen Roma-Familien auf. Schauplatz ist die Stadt Cegléd, eine Autostunde | |
südöstlich von Budapest. Mehr als vierhundert teils uniformierte Gardisten | |
und deren Sympathisanten marschierten dort am Samstag durch die | |
Roma-Siedlung am Rande der 40.000-Einwohner-Stadt. | |
Dabei sollen sie Slogans, wie „dreckige Zigeuner, wir bringen euch um!“ | |
gerufen haben. Über rechtsradikale Internetportale wie | |
[1][http://kuruc.info/][2][kuruc.info] [3][http://kuruc.info/]und | |
einschlägige Radiosender riefen die Extremisten ihre Gesinnungsgenossen im | |
ganzen Land auf, nach Cegléd zu kommen, um sich an den | |
Einschüchterungsaktionen zu beteiligen. Anlass soll ein Diebstahl gewesen | |
sein. | |
Ein Betrunkener aus den Reihen der Rechtsextremen soll die verschüchterten | |
Roma provoziert haben, berichten Augenzeugen. Von Peitschenknallen und | |
Schüssen in die Luft ist die Rede. Mehrere Männer hätten an die Fassaden | |
der Häuser uriniert, bevor die Polizei die Demonstranten zum Abzug nötigte. | |
Reporter des Wochenmagazins HVG fanden Hunderte Extremisten in einem | |
Bauernhof, wo sie die Nacht verbrachten und am Sonntag einen Abgeordneten | |
der rechtsextremen Partei Jobbik empfingen, der seine Unterstützung | |
signalisierte. | |
## Zwangsumsiedlung von Roma | |
Bürgermeister László Földi erklärte der ungarischen Nachrichtenagentur MTI, | |
dass man in Cegléd friedlich mit den etwa 20 Roma-Familien zusammenlebe. | |
Probleme gebe es manchmal mit neuangesiedelten Roma. Tatsächlich werden | |
immer wieder Roma-Familien umgesiedelt, manchmal von den lokalen Behörden, | |
manchmal von den teils mafiösen eigenen Strukturen. Sie finden sich dann | |
oft völlig mittellos in einer unbekannten Gegend. | |
„Es stimmt, dass manche stehlen“, gibt die Roma-Aktivistin Ágnes Daróczi | |
zu, „aber welche Alternativen haben sie?“ Arbeitsplätze gibt es kaum, und | |
wenn einer als Tagelöhner in der Landwirtschaft beschäftigt wird, bekomme | |
er maximal 2.000 Forint (weniger als 7 Euro). | |
Ágnes Daróczi besuchte Cegléd am vergangenen Montag. Jetzt sei es ruhig, | |
versichert sie. Doch die Leute hätten Angst. Die von der Regierung | |
propagierte neue Roma-Politik habe nichts zum Positiven verändert. Die mit | |
fast einer Million Mitglieder größte Minderheit Ungarns sei am stärksten | |
von Arbeitslosigkeit betroffen und lebe ausgegrenzt am Rande der Städte und | |
Dörfer. Die Häuser, die die Roma in Cegléd bekommen haben und bei der Bank | |
abstottern müssen, seien von minderer Qualität. | |
## Rassismus hat Tradition | |
Aggressionen gegen Roma haben in Ungarn eine lange Tradition. 2009 gab es | |
eine Serie von Roma-Morden, hinter denen eine rechtsextreme Bande steckte, | |
die aber von Sympathiekundgebungen der extremen Rechten begleitet wurden. | |
Anlass der jüngsten Welle von Hassaktionen gegen Roma ist der Sexualmord an | |
der Polizeipsychologin Kata Bandy im vergangenen Juli. Noch bevor die | |
Leiche gefunden war, wusste man auf rechtsextremen Websites, dass „ein | |
Zigeuner oder ein Jude“ für das Verschwinden der jungen Frau verantwortlich | |
sein müsse. Tatsächlich wurde wenig später ein Rom festgenommen. Sein Foto | |
und Name wurden über die rechten Medien verbreitet. | |
Auf der Internetseite [4][barikad.hu], einem Sprachrohr der faschistischen | |
Jobbik-Partei, war nur mehr vom „Zigeuner-Mordfall“ die Rede. Jobbik rief | |
einmal mehr nach der Wiedereinführung der Todesstrafe. Viele Roma sehen in | |
Ungarn keine Zukunft für sich. Allein in Kanada haben in den vergangenen | |
zehn Monaten an die 1.000 ungarische Roma um politisches Asyl ersucht. | |
22 Aug 2012 | |
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[1] http://kuruc.info/ | |
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[4] http://barikad.hu | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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Ungarn | |
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