# taz.de -- Gewinner des Wahlrechts: Der Baumarktbürgerschaftler | |
> Unter dem Titel "Herr Bolayela macht jetzt Politik" zeigt die ARD ein | |
> politisch abstinentes Porträt des ersten Afrika-stämmigen Abgeordneten | |
> der Bremer Bürgerschaft | |
Bild: Die Jungfernrede. | |
Elombo Bolayela steht im Blaumann am Grill, aus der Brusttasche ragt der | |
Zollstock einer bekannten Baumarkt-Kette, gerade hat er den Rasen in seinem | |
Kleingarten gemäht. Gibt es eine deutschere Attitüde? Begänne Marianne | |
Strauchs Porträt von Bremens erstem Afrika-stämmigen Abgeordneter mit | |
diesem Bild, auf dem man unwillkürlich die Zwergenmütze vermisst, die am | |
Sonntag auf ARD ausgestrahlte Sendung hätte die Anmutung einer Satire. Doch | |
vor dieser Schluss-Einstellung entfaltet Strauch in klassischer | |
ARD-Doku-Manier den bemerkenswerten Aufstieg eines Mannes, der in den 90ern | |
als Asylbewerber nach Deutschland kam. | |
Der 45-jährige Kongolese ist seit Mai 2011 SPD-Abgeordneter – was er | |
weniger der Partei, die ihm den aussichtslosen Listenplatz 41 gab, als sich | |
selbst zu verdanken hat. Das neue Wahlrecht mit seinen Personen-Kreuzchen | |
macht individuelle Kampagnen für Direktstimmen möglich, mit gut 3.000 zog | |
Bolayela ins Parlament. | |
Auch anderen Menschen mit Migrationshintergrund gelang auf diese Weise der | |
Sprung ins Parlament – fast ein Drittel der SPD-Fraktion hat nun Nachnamen, | |
bei denen sich Alterspräsident Erwin Knäpper (CDU) bei der konstituierenden | |
Sitzung des Parlaments zum Teil verhaspelte. Als erstem und bislang | |
einzigem Schwarzen jedoch weist der Film Bolayela in mehrfacher Hinsicht | |
eine Sonderrolle zu. Oder hätte man einen, beispielsweise türkischstämmigen | |
Abgeordneten auch gefragt, ob er „das Krawattenbinden erst noch lernen | |
musste?“ | |
Immerhin folgt auf die befremdliche Frage eine faktische Erklärung: Im | |
Kongo seien Krawatten verboten gewesen, sagt Bolayela: „Wir hatten dort nur | |
chinesische Anzüge mit einem hohen Mao Tse Tung-Kragen.“ | |
Den definitiven Peinlich-Part übernimmt dann wenig später der Syker | |
Bürgermeister Harald Behrens (FDP): „Was aus dir geworden ist!“, begrüßt… | |
gönnerhaft den Gast, der in Syke lange im Asylbewerberheim schmorte und | |
sich nun ins Goldene Buch der Stadt einträgt. „Wir haben dich dann doch gut | |
erzogen!“, lobt sich der Bürgermeister. | |
Bolayela war in der Opposition gegen Diktator Robert Mugabe aktiv, wurde | |
bei einer Demonstration angeschossen, verlor beinahe sein Bein und floh | |
über Moskau nach Deutschland. Nach einem fünfjährigen, zermürbenden | |
Bleiberechts-Kampf bekam er eine Anstellung bei Max Bahr in Bremen, wo er | |
immer noch als Farbberater und Betriebsrat arbeitet. Bolayelas Weg vom | |
Baumarkt in die Bürgerschaft, seine enormen Mobilisierungs-Anstrengungen, | |
bei der auch sein kirchlicher Background eine wichtige Rolle spielte, | |
kommen in der Dokumentation kaum vor. Strauch interessiert sich umso mehr | |
für Bolayelas Familienleben, das sich eng mit den ersten parlamentarischen | |
Gehversuchen verwebt: Die Gattin hilft bei der Formulierung der | |
Jungfernrede, über Wochen bestimmt das Feilen am Manuskript das | |
Familienleben: „Jeder kann sie schon auswendig“, sagt Angela | |
Bolayela-Marquart mit einem sympathischen Seufzer. | |
In der Bürgerschaft gibt es immer mal wieder Abgeordnete, die sich bemüßigt | |
fühlen, migrationshintergründigen Kollegen den korrekten Sprachgebrauch | |
beizubiegen. „BRD? Das heißt Deutschland!“, herrschte etwa | |
CDU-Vizefraktionschef Heiko Strohmann den Abgeordneten Cindi Tuncel an – | |
während Innensenator Ulrich Mäurer in der selben Debatte über | |
Polizisten-Kennzeichnung ungerügt das Staatskürzel verwenden durfte. | |
Bolayela ist von solchen Belehrungen bislang verschont geblieben – nicht | |
aber von einer marginalisierenden Platzierung. „Ich will kein Hinterbänkler | |
sein“, betont Bolayela im Film – und findet sich in der Bürgerschaft | |
trotzdem in der letzten Reihe, seine Sitznachbarn heißen Mehmet Seyrek und | |
Aydin Gürlevik. | |
Im elften Monat seines Mandats darf Bolayela den ersten eigenen [1][Antrag] | |
einbringen: Unter dem Titel „Bremen braucht alle Köpfe“ fordert er die | |
Stärkung der Rechte nicht-europäischer Studierender. Dass der Film weder | |
über genauere Inhalte noch über das Abstimmungsergebnis des Antrags | |
informiert, zeugt von der eher unpolitischen Perspektive der Dokumentation. | |
Passend läuft er in der Reihe „Gott und die Welt“ am Sonntag um 17.30 Uhr. | |
22 Aug 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.spdfraktion-bremen.de/koepfe/person/51/antraege | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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