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# taz.de -- Digitale Liebe: Knutschen mit der Kussmaschine
> Endlich ist die Menschheit einen Schritt näher an der Entfleischlichung.
> Der „Kissenger“ macht den Austausch von Zärtlichkeiten übers Netz
> möglich.
Bild: Ein Freund zum festhalten: Der Kissenger.
BERLIN taz | In Zeiten von Fernbeziehungen und Facebookchats kommen reale
Zärtlichkeiten oft zu kurz. Dem wirken Bastler endlich entgegen: Spürbare
Liebe, ohne seinen Computer verlassen oder sich gar mit dem Objekt der
Begierde ein unbequemes Sofa teilen zu müssen, ist im wahrsten Sinne des
Wortes zum Greifen nah. Der „Kissenger“, eine Erfindung aus Singapur, steht
knapp vor der Marktreife.
Das Ding besteht aus einem rosa Kugelkopf und riesigen Silikonlippen. Es
soll das Knutschen im Netz ermöglichen, und das geht so: Sensoren, die an
den Silikonlippen befestigt sind, leiten den Druck, der beim Pressen auf
sie ausgeübt wird, an einen Empfänger-Kissenger am anderen Ende des
Internets weiter und simulieren einen Kuss.
Die rosa Kussmaschine ist nicht nur ideal für all diejenigen, deren
Liebsten Hunderte Kilometer entfernt weilen, sondern auch eine Alternative
für den gesamten Rest: Denn die sexuelle Revolution ist lange her, die Idee
der freien Leibeslust ein alter Hut. Tatsächlich geht es nicht mehr um
ekstatische Leidenschaft mit all ihren fleischlichen Unperfektheiten. Schon
seit den 80er Jahren soll eine allgemeine Tendenz der Entsexualisierung –
der „Entfleischlichung“ – zu beobachten sein: die sogenannte Neosexuelle
Revolution.
Sie bietet neue Freiräume. Ein Beispiel ist die Objektophilie, die Liebe zu
Objekten (Eiffelturm, Kaffemaschine, Mandoline). Für den Sexualforscher
Professor Volkmar Sigusch ist sie die Vorhut einer neuen Lebens- und
Liebesform. „Es gibt eine Tendenz, Lebendiges als Ding zu behandeln und
Gegenständen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.“ Immer mehr Menschen
würden schließlich das Auto dem Partner vorziehen.
Ja, und so kann der Kissenger auch nur ein Übergang zu einer völlig neuen
Art des Liebemachens sein: Irgendwann wird der Partner gar nicht mehr
benötigt werden, denn ohne realen Kuss-Sender geht’s schließlich auch:
Silikonlippen knutschen per Zufallsgenerator – an ganz unterschiedlichen
Körperstellen. Alles hat seine Zeit oder, um es mit Professor Siguschs
Worten zu sagen: „Das Sexuelle ist nicht mehr die große Metapher des
Rausches und des Glücks, sondern banal.“
23 Aug 2012
## AUTOREN
Barbara Opitz
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