# taz.de -- Bombenattentate in Libyen: Der Terror erreicht Tripolis | |
> Nicht nur in Bengasi, auch in der Hauptstadt kommt es jetzt zu | |
> Anschlägen. Dafür wird ein geheimes Netzwerk von Gaddafi-Loyalisten | |
> verantwortlich gemacht. | |
Bild: Spuren des Terrors: Am 19. August explodierten drei Autobomben in Tripoli… | |
TRIPOLIS taz | Ein Jahr nach der Befreiung von Tripolis hält eine Reihe von | |
Bombenanschlägen die libysche Hauptstadt in Atem. Zuletzt hatte sich zwar | |
die Sicherheitslage stark verbessert, da die Nachbarschaftsmilizen | |
weitgehend von straff organisierten Truppen des Innenministeriums abgelöst | |
wurden. | |
Vergangenes Wochenende explodierten jedoch vor Gebäuden dieser „Oberster | |
Sicherheitsrat“ (SSC) genannten Gendarmerie zwei ferngezündete Sprengsätze. | |
Zwei Passanten kamen ums Leben, mehrere wurden verletzt. | |
In den folgenden Tagen konnten Experten weitere Sprengsätze an der belebten | |
Omar-Muktar-Straße entschärfen. Unmengen von großkalibriger Munition liegen | |
weiterhin schlecht bewacht in ehemaligen Depots der Armee, teils auch offen | |
in der Sahara. Bürgerinitiativen haben seit Monaten auf die von diesen | |
Geschossen ausgehende Gefahr hingewiesen. Nun scheinen sich ihre | |
Befürchtungen zu bewahrheiten. | |
Nach den gut organisierten und in friedlicher Atmosphäre abgelaufenen | |
Wahlen haben die Anschläge die Bewohner von Tripolis überrascht. | |
Sicherheitsprobleme schienen sich bislang auf den Osten Libyens zu | |
beschränken. Im Juli wurden die Büros des Internationalen Roten Kreuzes | |
(ICRC) in Misrata und Bengasi mehrfach mit Panzerfäusten und Bomben | |
angegriffen, ein Mitarbeiter wurde verletzt. In Bengasi kamen in den | |
letzten drei Monaten mehrere Offiziere der ehemaligen Armee bei Attentaten | |
ums Leben. Alle waren 2011 zu den Revolutionären übergelaufen. | |
Über die Hintermänner der Zwischenfälle herrscht in der Öffentlichkeit | |
Verwirrung. In Bengasi vermutet man hinter den Angriffen auf das Rote Kreuz | |
islamistische Kräfte. In deren Internetforen wird der Schweizer | |
Hilfsorganisation heimliches Verteilen von Bibeln vorgeworfen. Das Rote | |
Kreuz hat seine Arbeit außerhalb von Tripolis mittlerweile eingestellt. | |
„Die ICRC-Mitarbeiter haben während der Belagerung von Misrata unter | |
Lebensgefahr vielen Menschen auf beiden Seiten geholfen. Sie jetzt zu | |
bedrohen, ist eine Schande für die Revolution. Die Täter missverstehen wohl | |
das Rote-Kreuz-Symbol auf den Fahrzeugen“, sagt der Journalist Ahmed Shlak | |
aus Misrata und steht mit seinem Unverständnis für die Mehrheitsmeinung. | |
Die Anschlagsserie in Bengasi begann bereits vor Monaten. „Wir glauben, | |
dass die Bevölkerung und die demokratisch gewählten Institutionen | |
verunsichert werden sollen. Es gibt immer noch viele Gegner eines | |
demokratischen Libyen. Wer sich seine Hände in Regimezeiten schmutzig | |
gemacht hat, muss Angst vor einer unabhängigen Justiz und Polizei haben“, | |
sagt Hadi El Gariani, Staatssekretär für Versöhnung. | |
## 34 Tatverdächtige wurden verhaftet | |
Die Attentäter eines der Bombenanschläge in Tripolis wurden nach Aussage | |
des SSC von einer Überwachungskamera gefilmt und teilweise identifiziert. | |
34 Tatverdächtige hat der SSC in den letzten Tagen in Tripolis | |
festgenommen. Sie scheinen Teil eines geheimen Netzwerks von | |
Gaddafi-Loyalisten zu sein, die von einem Teil der verbliebenen | |
Gaddafi-Familie in Ägypten und Algerien finanziell unterstützt werden | |
könnten. | |
In Tarhuna, rund achtzig Kilometer südöstlich von Tripolis, toben seit | |
Mittwoch Kämpfe zwischen der neuen libyschen Armee und bewaffneten Gruppen, | |
die zum militärischen Flügel dieses Netzwerks des alten Regimes gehören. | |
Der Versuch der neuen libyschen Armee, im Melghet-El-Waqa-Gebirge vor den | |
Toren Tarhunas die Bewaffneten festzunehmen, dauert an. | |
Die Polizeiaufgaben hat de facto der neu entstandene SSC übernommen, der | |
die immer noch kaum in Erscheinung tretenden Polizeibeamten aus der | |
Exekutive verdrängt. Die schwache Armee steht in Konkurrenz zu den | |
„Derra-Libya“-Einheiten, denen Bürgerrechtler unterstellen, islamistisch | |
unterwandert zu sein. Beobachter vermuten hinter der Konkurrenz der | |
Sicherheitsapparate einen Grund für die schlechter werdende | |
Sicherheitslage. | |
24 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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