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# taz.de -- Ein Museum für Kinder: Wäsche waschen wie Oma
> Das MachMit! Museum feiert am Samstag seinen zwanzigsten Geburtstag. Ein
> Rückblick auf zwei Dekaden zwischen Bauwagen, Bastelecke und
> Bildungsauftrag.
Bild: Nicht nur in der Schule sollen Kinder lernen.
Das Klettergerüst in eine alte Kirche zu bauen war eine schöne Idee – schon
wegen der Akustik. Zwar turnen gerade nur zwei Kinder durch das riesige
hölzerne Gerüst. Doch ihr Jauchzen beschallt das ganze MachMit! Museum für
Kinder, das in der einstigen Kirche der Eliasgemeinde in Prenzlauer Berg
untergebracht ist. Das sieben Meter hohe Klettergerüst ist sein Stolz und
sein Zentrum.
Marie Lorbeer sitzt im Café, das zwischen Gerüst und Kirchenfenstern einen
Rückzugsort bietet. Vor zwanzig Jahren hat die heutige Leiterin das Museum
mitgegründet. „Ein Museum extra für Kinder war eigentlich nicht mein
Traum“, sagt sie – schließlich sollten eigentlich alle Museen kindgerecht
sein. „Aber solange das noch nicht der Fall ist, müssen wir die Lücke
füllen.“
Lorbeer ist eine zupackende Frau mit wilden, mittlerweile ergrauten Locken,
die früher als Lehrerin gearbeitet hat. Gleich nach dem Mauerfall zog sie
mit ihrer Familie aus dem Wedding nach Prenzlauer Berg. Dort fand sie
schnell Anschluss an das Netzwerk SpielKultur, das schon seit Ende der
1970er Jahre, als Spielangebote in Prenzlauer Berg noch Mangelware waren,
Aktionen für Kinder im Angebot hatte. Die Idee entstand, ein Kindermuseum
zu gründen – und mit einer ersten Förderung von 5.800 Mark wurde 1992 ein
Bauwagen flottgemacht. Der wurde auf dem Kollwitzplatz aufgestellt, damit
Kinder sich dort verkleiden, wie Oma Wäsche waschen oder auch mal selbst
Seife kochen konnten. Das MachMit! Museum war geboren.
Nach einem Jahr im Bauwagen wurden feste Räume bezogen. Eine Zeit mit
unsicherer Finanzlage, aber großen Plänen: „Wir wollten mit und für die
Kinder die Veränderungen im Bezirk dokumentieren“, sagt Lorbeer. Das Museum
sollte kein Ort sein, den man betritt, um alte Dinge anzugucken – sondern
an dem aktiv Geschichte beobachtet werden kann.
In einer Projektwoche war Lorbeer mit einer Klasse im Kiez unterwegs und
erarbeitete ein Thema wie „Druckereien“. Das Ergebnis konnten sich in den
kommenden Wochen andere Kinder ansehen. So entstanden Ausstellungen über
das Stadtbad Oderberger Straße oder die Jüdische Schule in der Rykestraße.
Noch heute werden Schulklassen in den Entstehungsprozess einer Ausstellung
mit einbezogen, allerdings gestalten sie kleinere Teile. „Früher haben wir
40 Quadratmeter bespielt, heute sind es 1.200. Da sind die Ansprüche
andere“, sagt Lorbeer.
Ende der 1990er Jahre, als das Bezirksamt bereits für eine regelmäßige
Finanzierung des Museums sorgte, erfuhr Lorbeer von der leer stehenden
Kirche in der Senefelderstraße. Ein Erbbaurechtsvertrag über 75 Jahre wurde
geschlossen – mit der Auflage jedoch, das Gebäude zu sanieren. Mit viel
Mühe gelang es, aus verschiedensten Töpfen die nötigen 1,7 Millionen Euro
zusammenzukratzen. „Damals galt das Gebiet um den Helmholtzplatz noch als
sozialer Brennpunkt“, sagt Lorbeer. „Das war unser Glück.“
Zwei Jahre dauerte es, bis die feuchten Wände, die kaputte Fassade und die
morschen Deckenbalken instand gesetzt waren. In das Hauptschiff wurde eine
zweite Ebene eingezogen, um den Ausstellungsraum zu vergrößern und Platz
für Bastelwerkstätten zu schaffen. In einem Seitenschiff kam eine Druckerei
unter, im Turm entstand ein kleiner Rückzugsraum für Märchenstunden. Nur
das Klettergerüst geht über beide Etagen und macht sich die
außergewöhnliche Höhe der Räume zunutze.
Im August 2003 wurde das Museum in der alten Kirche eröffnet. Seitdem
kommen etwa 55.000 Besucher im Jahr, aus deren Eintrittsgeldern es sich
hauptsächlich finanziert. „Die Bildungsbewussten kommen aus der ganzen
Stadt“, sagt Lorbeer. Kinder bildungsferner Eltern fänden zudem den Weg
über Schule oder Kita.
Am Thema UN-Kinderrechte, zu dem es gerade eine Ausstellung gibt, lässt
sich gut erkennen, worauf es dem Museum ankommt: darauf, Themen auf der
Ebene der Kinder zu erzählen und Dinge ausprobieren zu können. Wer einmal
selbst mit einem improvisierten Joch zwei Liter Wasser quer durchs Museum
getragen hat, erkennt den Luxus, einfach nur den Wasserhahn aufzudrehen.
„Wenn die Kinder aus dem Museum kommen, sagen sie nicht: ’Jetzt habe ich
was gelernt.‘ Sie sagen: ’Ich habe was gemacht!‘ Das Lernen kommt ganz von
allein“, sagt Lorbeer.
Und wie finden die Kinder das Museum? „Total gut“, sagt Anton. Dem
Sechsjährigen aus Hannover sitzt die Krone, die er gerade in einer der
Werkstätten gebastelt hat, schief auf dem Kopf. „Find ich super, dass man
hier so viel selber machen kann.“ Mehr Zeit für Fragen hat er aber nicht,
das Klettergerüst ruft.
23 Aug 2012
## AUTOREN
Juliane Wiedemeier
## TAGS
Kinder- und Jugendbücher
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