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# taz.de -- Galgenfrist für Gartenprojekt: Grün ist die Hoffnung
> Das Erfolgsprojekt Prinzessinnengarten darf noch ein Jahr am Moritzplatz
> bleiben - zu wenig, um Pläne für die Zukunft zu machen, sagen Betreiber
> und Bezirk.
Bild: Auch urbane Gärtner brauchen Planungssicherheit.
Berlin könnte bald um eine alternative Attraktion ärmer sein: Das
Urban-Gardening-Projekt Prinzessinnengarten in Kreuzberg fürchtet um seine
Zukunft. In einem Offenen Brief kritisieren die Betreiber, dass der
Liegenschaftsfonds den baldigen Verkauf des Grundstücks plane. Sie fordern
eine Verlängerung ihres noch bis Oktober 2013 laufenden Mietvertrages um
fünf Jahre. Der Brief, der der taz bereits vorliegt, soll am heutigen
Freitag veröffentlicht werden.
## Altes Wertheim-Kaufhaus
In den vergangenen Jahren wurde der Moritzplatz zunehmend belebter und
beliebter. Bis zum Zweiten Weltkrieg war er einer der lebendigsten
Kreuzberger Plätze, auf dem Gelände des heutigen Gartens stand ein
Wertheim-Kaufhaus, das 1945 einem Bombenangriff zum Opfer fiel. Der Bau der
Mauer riegelte den Platz zum Norden hin ab. Seit der Eröffnung des
Modulor-Hauses und der Ansiedlung des Aufbau-Verlags vor gut einem Jahr
entwickelt sich der Ort mit dem Kreisverkehr zu einem Treffpunkt der
Kreativwirtschaft. Zu dieser Aufwertung hat nicht zuletzt der
Prinzessinengarten beigetragen. Nun befürchtet Gartengründer Marco Clausen,
dass sein Projekt Opfer dieser Entwicklung wird.
Zwar sagte die Sprecherin des Liegenschaftsfonds, Irina Dähne, der taz,
derzeit gäbe es keinen Investor, bisher sei das Grundstück nicht im
Angebot. Der Liegensschaftsfonds und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
stünden jedoch seit längerem in Verhandlung über die Zukunft des
Grundstücks. Man wolle eine „ortsverträgliche Ansiedlungspolitik“ umsetze…
betont Dähne. Dabei würden Anwohner und auch die Urban Gardening-Aktivisten
einbezogen. Zuerst solle der Bezirk einen entsprechenden Bebauungsplan
aufstellen. Erst danach wolle man die Brache vermarkten.
Laut Franz Schulz, grünem Bürgermeister von Friedrichhain-Kreuzberg, hat
der Liegenschaftsfonds indes bereits zwei Interessenten für das Grundstück.
In den Verhandlungen habe sich gezeigt, dass der Fonds möglichst rasch ein
Bürgerbeteilungsverfahren durchziehen wolle mit der Frage, wie eine
Bebauung aussehen könnte. Offenbar soll der Mietvertrag nicht noch einmal
verlängert werden.
Schulz hingegen wünscht sich eine „sehr breite Einbindung der Bürger“, die
ein bis zwei Jahre dauern könnte und zudem ergebnisoffen sei. „Wir müssen
den Druck rausnehmen und uns Zeit lassen“, sagte Schulz der taz. Er
unterstützt deswegen einen neuen fünfjährigen Mietvertrag.
Als eine Art Nomaden haben Marco Clausen und Robert Shaw das Projekt auf
der landeseigenen Brachfläche am Moritzplatz seit 2009 aufgebaut. Die Idee
war, einen Garten anzulegen, der jederzeit wieder umziehen kann. Inzwischen
jedoch hat er sich zu einem Vorzeigeprojekt für Urban Gardening entwickelt
und ist fest im Kiez verwurzelt. Die Macher kooperieren nach eigenen
Angaben mit Schulen, Kindergärten und Universitäten; rund 50.000 Besucher
haben sie im vergangenen Jahr gezählt, 13 Vollzeitstellen wurden
geschaffen. Bundesweit berichteten Medien, wie auf einem jahrzehntelang
vermüllten Grundstück nun Kräuter und Pflanzen sprießen.
Gärtner Clausen befürchtet nun, dass letztlich der „Senat das Planungsrecht
an sich zieht“, weil sich Bezirk und Liegenschaftsfonds nicht so bald
einigen können – und das Grundstück schließlich direkt an einen Investor
vergibt. In ihrem Offenen Brief verlangen die „BetreiberInnen und
UnterstützerInnen“ deshalb vom Senat, den Beweis dafür zu erbringen, dass
die angekündigte Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik ernst gemeint ist:
„Der Moritzplatz bietet die einmalige Chance, stadtpolitische Fragen
aufzugreifen und nach modellhaften Lösungen zu suchen“. Beim Umgang mit
öffentlichen Eigentum dürften nicht mehr nur „kurzfristige finanzielle
Interessen“ berücksichtigt werden es müsse im Gegenteil erhalten und
gefördert werden, was aus „sozialen, kulturellem und ökologischem
Engagement erwächst“. Bisher wurden landeseigene Grundstücke an den
verkauft, der am meisten dafür bot. Der Senat hatte angekündigt, künftig
auch andere Kriterien anzuwenden – diese aber bisher nicht bestimmt.
Unterstützung erhalten die Stadtgärtner von den Bezirks-Grünen. Sie wollen
nächsten Mittwoch einen Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung
einbringen. Darin wird das Bezirksamt aufgefordert, sich gegenüber dem
Senat dafür einzusetzen, dass das Gartengrundstück nicht an private
Investoren verkauft wird. Stattdessen, so die Grünen, sollen mit den
Nutzern „längerfristige Miet- oder Pachtverträge“ abgeschlossen werden.
„Wir wollen nicht, dass die Fläche bebaut wird“, sagt Fraktionssprecherin
Paula Riester. Sie geht davon aus, dass der Antrag angenommen wird.
23 Aug 2012
## AUTOREN
Bert Schulz
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