Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Frauen an die Macht: Frauenförderung per Inserat
> In Lübecks Politik herrscht Männerüberschuss. Per Annonce sucht die
> Wählergemeinschaft "Bürger für Lübeck" weiblichen Nachwuchs.
Bild: Sollen sich nicht nur auf der Straße, sondern in Parlamenten und Gremien…
HAMBURG taz | Sie sind tapfer und klug, haben aber das Machtgehabe der
Männer satt? Mit diesen Worten sucht die unabhängige Wählergemeinschaft
„Bürger für Lübeck“ (BFL) per Zeitungsannonce nach „50 politisch
engagierten Frauen“. Wer sich aktiv in die Kommunalpolitik einbringen,
einen Wahlkreis übernehmen oder bei der Kommunalwahl 2013 kandidieren
wolle, sei herzlich eingeladen, Mitglied zu werden oder mal beim
monatlichen politischen Stammtisch vorbeizukommen. Entsprechend ihrer
Fähigkeiten und Neigungen könne frau dann auch zur Wahl für einen
Fachausschuss des Stadtparlaments oder den Aufsichtsrat einer städtischen
Gesellschaft aufgestellt werden. Hintergrund der Frauensuchaktion ist die
Forderung der Lübecker Frauen- und Sozialverbände und der
Gleichstellungsbeauftragten nach einer Frauenquote in der Kommunalpolitik.
„Es ist zwar etwas ungewöhnlich, aber einen Versuch ist diese Anzeige
durchaus wert“, sagt Elke Sasse, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt
Lübeck. Denn die Hälfte der Lübecker Bevölkerung sei weiblich, aber nur 22
bis 25 Prozent der Parteimitglieder sind weiblich, im Parlament sitzen nur
30 Prozent Frauen und alle 13 Fachausschüsse werden von Männern geleitet.
Ähnlich sieht es in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften aus:
Von den Vorsitzenden sind zwei Frauen und 14 Männer. Zwar hat die
Bürgerschaft bereits im Mai 2011 beschlossen, Männer und Frauen paritätisch
in Aufsichtsräte, Kommissionen, Ausschüsse und Vorstände zu entsenden, aber
bisher blieb es bei dem Beschluss. Es fehle oft schlicht die weibliche
Alternative, sagt Sasse.
„In der Politik sollte sich die Bevölkerungsstruktur widerspiegeln und
dafür brauchen wir mehr Frauen und eine Quote“, sagt Sasse. Allerdings
könne diese Suchaktion der BFL auch auf eine reine Alibi-Funktion
hinauslaufen. „Nach dem Motto, wir wollen ja mehr Frauen und haben sogar
per Anzeige nach ihnen gesucht, aber die wollen einfach nicht“, sagt Sasse.
Das sei eine gute Möglichkeit, um sich für den anstehenden Wahlkampf
aufzustellen und sich mit dem Thema Frauen zu schmücken.
Als Wahlkampftaktik will BFL-Fraktionsgeschäftsführerin Astrid
Stadthaus-Panissié die Annonce nicht verstanden wissen. Dass genau 50
Frauen gesucht werden, sei zwar eher ein Gag. „Aber wir haben einfach einen
großen Überhang an Männern“, sagt Stadthaus-Panissié. Das gelte nicht nur
für die BFL, sondern ebenso für die anderen Parteien in Lübeck. „Frauen
sind oft zu passiv, haben weniger Machtstreben als Männer und es schreckt
sie ab, dass Politik in der Öffentlichkeit negativ belastet ist“, sagt
Stadthaus-Panissié. Frauen seien eher auf Sacharbeit und Engagement im
sozialen Bereich fokussiert. „Mit unserem Aufruf wollen wir auch darauf
aufmerksam machen, dass man sich in der Kommune am ehesten engagieren kann
und direkt vor Ort mitentscheiden kann“, sagt Stadthaus-Panissié.
Antje Jansen, Linke-Fraktionsvorsitzende, hat die Anzeige der BFL
überrascht. „Ich finde zunächst mal ein Armutszeugnis, dass die BFL es in
den fünf Jahren, die sie bereits im Parlament sitzen, offenbar nicht
geschafft haben, Frauen für sich zu gewinnen“, sagt Jansen. „Alle
Fraktionen leiden an Frauenmangel“, sagt Jansen. Aber eine solche Anzeige,
wie die BFL sie nun geschaltet habe, käme für Die Linke so eher nicht
Betracht. „Frauen sollen sich ja nicht nur engagieren, weil sie Frauen
sind“, sagt Jansen. Sie müssten schon wissen, was sie in der Bürgerschaft
erreichen wollen und hinter dem Programm der Partei stehen. Wichtiger sei,
die Strukturen im politischen Prozess zu verändern, etwa
Kinderbetreuungskonzepte zu erarbeiten, die Sitzungslänge auf zwei Stunden
zu beschränken und die Wochenendsitzungen abzuschaffen.
Helga Lietzke, die Vorsitzende der Lübecker Frauen- und Sozialverbände,
findet die Suche nach Frauen per Anzeige „durchaus clever“. Vielleicht
könne man auf diesem Weg wirklich Frauen dazu bewegen, mitzumachen. Sie war
selbst 25 Jahre in der CDU und weiß, dass die Männer gerade in
hochkarätigen Ausschüssen nicht freiwillig Platz machten. „In der CDU in
Lübeck kandidieren jetzt aber zwei Frauen für den Vorsitz, das ist schon
mal ein Fortschritt“, sagt Lietzke. Man müsse den Frauen die politische
Arbeit einfach besser erklären und sie langsam heranführen.
23 Aug 2012
## AUTOREN
Ilka Kreutzträger
## ARTIKEL ZUM THEMA
Frauen in den Aufsichtsrat: EU will gesetzliche Quote
Bis 2020 sollen 40 Prozent aller Aufsichtsrats-Mitglieder weiblich sein.
Das will die EU-Justizkommissarin und Vizepräsidentin Viviane Reding.
EU-Justizkommissarin macht Tempo: 40 Prozent für Frauenräte
In deutschen Vorstandsetagen sind Frauen mit einem Anteil von drei Prozent
die Ausnahme – die Bundesregierung unternimmt so gut wie nichts. Nun macht
die EU Druck.
Kommentar Frauensuche: Richtiges Signal gesetzt
Die Suche per Annonce nach politisch engagierten Frauen wird zwar den
Frauenmangel nicht lösen, ist aber immerhin eine Einladung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.