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# taz.de -- Kommentar Ohrloch für Kinder: Das totale Kindeswohl
> Die Kindheit ist nicht selten traumatisierend. Da braucht es keine
> Piercings und keine Religionen: Kinder gehören geschützt – vor Eingriffen
> jeglicher Art.
Diesem Berliner Amtsrichter gebührt Dank. Mit seiner Frage, ob auch das
Ohrlochstechen bei dreijährigen Kindern strafbar ist, trägt er zur
Versachlichung der Debatte bei. Zumindest macht er klar, dass die
Aufgeregtheit in Deutschland nichts mit Religionen, Rassismus oder
dergleichen zu tun hat. Nein, es geht wirklich nur ums Kindeswohl, ums
totale Kindeswohl.
Die von dem Berliner Amtsrichter angestoßene Debatte ist aber auch
gefährlich, denn sie verengt die Perspektive zu sehr auf körperliche
Eingriffe. Genauso wichtig, nein wichtiger, sind die psychischen Folgen für
die Kinderseele durch traumatische Erfahrungen. Auch diese sind schließlich
nicht wiedergutzumachen.
Es ist die Aufgabe von Eltern, ihren Kindern jede potenziell
traumatisierende Erfahrung zu ersparen. Es gibt schließlich schon genügend
traumatisierende Erfahrungen, denen Kinder nicht ausweichen können – die
Geburt, die ersten und die zweiten Zähne, die Pubertät – alles Weitere
könnte Kinder endgültig überfordern.
Denken wir an Märchen, grausame Erzählungen, die ganz offensichtlich jedes
Potenzial haben, Jungs und Mädchen nachhaltig zu verängstigen. Da werden
Kinder im Wald ausgesetzt, von Hexen gefangen genommen und Menschen bei
lebendigem Leib verbrannt. Jeder kann erahnen, was solche Schilderungen in
Kinderseelen anrichten. Auch das Erzählen von Märchen muss strafbar sein.
Oder der Besuch von Kirchen, bei denen ein offensichtlich schwer
gefolterter Mann an der Wand hängt, wenn auch nur holzgeschnitzt. Müssen
Kinder so etwas sehen? Es geht hier natürlich nicht um ein Kruzifix-Verbot
für Kirchen, wir haben schließlich Religionsfreiheit. Allerdings sollten
Kinder unter 14 Jahren solche verstörenden Orte nicht betreten. Mist, jetzt
reden wir schon wieder über Religion.
25 Aug 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Familie
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