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# taz.de -- Religöse Gewalt in Indonesien: Jagd auf die schiitische Minderheit
> Militante Sunniten attackieren eine schiitische Gemeinde in Ostjava. Der
> Angriff wie die Untätigkeit der Polizei sind kein Einzelfall.
Bild: Schiitische Frauen kauern nach ihrer Flucht vor dem sunnitischen Mob in e…
JAKARTA taz | „Die Regierung hat darin versagt, die schiitische Minderheit
zu schützen“, lautete gestern das Fazit der Indonesischen
Menschenrechtskommission (Komnas HAM). Am Sonntag hatte ein 200-köpfiger
sunnitischer Mob im Distrikt Sampang auf der Insel Madura (Ostjava) einen
Vertreter der dortigen Schiiten mit Macheten getötet und fünf
lebensgefährlich verletzt. Mehrere Hundert Schiiten flohen, die meisten von
ihnen Frauen und Kinder. Sie sind derzeit in einer Turnhalle untergebracht.
86 Prozent der 240 Millionen Indonesier sind Muslime. Die überwiegende
Mehrheit gehört dem sunnitischen Islam an. 2,5 Millionen sind Schiiten, die
überwiegend in Ostjava und in Jakarta leben. Die schiitische Gemeinde in
Sampang sowie Menschenrechtler, die sich für Religionsfreiheit einsetzen,
hatten seit langem vor weiteren Gewaltausbrüchen gewarnt. Nachdem führende
sunnitische Geistliche im Jahr 2006 eine Fatwa gegen die Schiiten gefordert
hatten, nahm die Diskriminierung zu. Im Dezember 2011 zündeten militante
Sunniten Häuser von Schiiten in Sampang an. 500 Menschen flohen vor der
Gewalt.
Doch statt staatlichen Schutz für ihre Religion erlebten die Schiiten neue
Diskriminierung und juristische Verfolgung. Im Juli wurde Tajul Muluk,
Vorsteher der betroffenen Gemeinde in Sampang, vom zuständigen
Bezirksgericht wegen Blasphemie zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Basis für das Urteil bildet ein aus den 60er-Jahren stammendes
Anti-Blasphemiegesetz, dessen Revision Menschenrechtler bislang erfolglos
forderten. Ein entsprechendes Verfahren vor dem Verfassungsgericht
scheiterte vor zwei Jahren. Ideologische Schützenhilfe hatten die Täter von
Sampang zudem vom umstrittenem Religionsminister Suryadharma Ali bekommen,
der die Schiiten im Januar als häretische Sekte bezeichnet hatte.
## Polizei schaut weg
Der Fall Sampang zeigt Parallelen zur Verfolgung weiterer religiöser
Minderheiten in Indonesien auf, die in den letzten Jahren zugenommen hat.
[1][So wurden drei Anhänger der Ahmadiyya im Februar 2011 im
westjavanischen Cikeusik von einem Mob brutal ermordet.] Auch in diesem
Fall hatte es zuvor staatliche Diskriminierung gegeben. Polizisten sahen
dem dann folgenden Blutbad untätig zu.
Auch beim Angriff auf die Schiiten am Sonntag deutet vieles darauf, dass
die Sicherheitskräfte eher Teil des Problems als der Lösung sind. „Die
anwesenden Polizisten haben nichts getan, um die Gewalt zu verhindern“,
sagt Andreas Harsono vom Human Rights Watch der taz. Harsono wirft dem
zuständigen Polizeichef Parteinahme zugunsten der Sunniten vor. Erst
nachdem Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono am Montag die Gewalt
öffentlich verurteilt habe, sei es überhaupt zu ersten Festnahmen gekommen,
so Harsono.
Weitere indonesische Menschenrechtler, die sich in der „Solidaritätsallianz
für Sampang“ zusammengeschlossen haben, forderten gestern den Rücktritt des
Polizeichefs von Ostjava wie es Religionsministers.
Beobachter sehen auch eine tragende Rolle bei religiösen
Massenorganisationen, wie der in Ostjava sehr einflussreichen Nadhlatul
Ulama. Diese müsse sich verstärkt um den Dialog mit religiösen Minderheiten
bemühen, forderte gestern der prominente Intellektuelle Azyumardi Asra im
indonesischen Metro TV. Er sieht eine Ursache des Konflikts auch im
wachsenden Einfluss des Wahabbismus im Land.
27 Aug 2012
## LINKS
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## AUTOREN
Anett Keller
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