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# taz.de -- Rumänischer Ex-Staatschef zieht Bilanz: „Der Hass ist wieder erw…
> Das Gerichtsurteil über die Amtsenthebung von Präsident Basescu sei rein
> politisch gewesen, meint Rumäniens ehemaliger Staatschef Emil
> Constantinescu.
Bild: Protest gegen Präsident Traian Basescu: Seine GegnerInnen würden ihn ge…
taz: Herr Constantinescu, wie schätzen Sie das Urteil des
Verfassungsgerichts ein, das den Ausgang des Referendums über die
Amtsenthebung von Präsident Traian Basescu für ungültig erklärt?
Emil Constantinescu: Als Missbrauch, der die Voraussetzungen eines
gefährlichen Präzedenzfalls für die Zukunft des Rechtsstaates und der
Demokratie in Rumänien und in der Europäischen Union schaffen könnte. Das
Gericht hat ein parteiisches und politisches Urteil verkündet, das einzig
und allein die von der Mehrheit der Wähler gewollte Amtsenthebung
verhindern sollte. 7,5 Millionen Bürger, die 87 Prozent der Wähler
ausmachen, haben sich für eine Amtsenthebung ausgesprochen. Nur 900.000,
das sind 13 Prozent, waren dagegen.
Wie ist es um das Verfassungsgericht bestellt?
Es wurde unter Basescu in einen politisierten Organismus umgewandelt.
Posten wurden mit moralisch anstößigen Leuten besetzt, die nicht die nötige
Qualifikation haben.
Können Sie Beispiele nennen?
Das beste Beispiel ist der von Präsident Basescu ernannte Vorsitzende des
Verfassungsgerichts, Augustin Zegrean, ein einfacher Rechtsanwalt einer
obskuren Firma aus einem Provinzstädtchen. Dieser wurde 1990 von den
damaligen neokommunistischen Machthabern gefördert und erhielt ein
Parlamentsmandat. Der Verfassungsgerichtspräsident während meiner Amtszeit
war Mihai Lucian, ein Teilnehmer an dem antikommunistischen Aufstand,
Doktor der Rechtswissenschaften und Universitätsprofessor. Auch die
nachfolgenden Vorsitzenden waren alle hochqualifizierte Hochschullehrer.
Ehrlich gesagt, es fällt mir schwer, über all diese Dinge zu sprechen.
Warum tun Sie das dann trotzdem?
Als Zeichen der Solidarität mit den 7,5 Millionen Rumänen, deren Stimmen
annulliert wurden, und aus Empörung über den Niedergang einer
rechtsstaatlichen Institution, für deren Ansehen ich während des
postkommunistischen Übergangs gekämpft habe. Ich tu das auch in der
Hoffnung, dass meine Stimme in Deutschland und Brüssel vernommen wird, wo
die Realitäten der rumänischen Gesellschaft mit Arroganz und Verachtung
ignoriert werden.
Die Medien sprachen im Zusammenhang mit den letzten Vorgängen in Rumänien
von einem „Staatsstreich“. Kann man tatsächlich von einem Putschversuch
sprechen?
Wer über ein Mindestmaß an politischer Kultur verfügt, weiß, dass ein
Staatsstreich ein plötzlicher Verfassungsbruch ist, der nicht von einem
Parlament, sondern von einer gewaltbereiten Minderheit, in der Regel von
Militärs, durchgeführt wird. Es gab weder ein Eingreifen der Armee noch
eine Minderheit, die sich dem Willen einer Mehrheit widersetzt hätte. Dass
die westliche Presse leichtfertig eine Behauptung des suspendierten
Präsidenten und seiner Anhänger aufgegriffen hat, macht uns zutiefst
betroffen. Es ist unerhört, wie die Gegner von Präsident Basescu
bloßgestellt wurden.
War das früher genauso?
Ich erinnere mich an einen Witz aus kommunistischen Zeiten. Ein Hörer
fragte Radio Eriwan, ob es wahr sei, dass der Bürger Iwan Iwanowitsch einen
Wolga gestohlen habe. Ja, lautete die Antwort. Nur handelte es sich nicht
um einen Pkw, sondern um ein Fahrrad, das aber nicht er gestohlen habe,
sondern das ihm geklaut worden sei.
Wie bewerten Sie die Reaktion der Europäischen Union auf die Ereignisse in
Rumänien?
In der Art, wie sie formuliert wurden, können sie mittelfristig zu einem
Vertrauensverlust gegenüber den europäischen Institutionen führen. Und das
gerade bei jenen, die sich für die Werte und Prinzipien der EU eingesetzt
haben. Das betrifft auch mich. Meine politische und bürgerliche Entwicklung
wurde nach 1990 maßgeblich von der christlichen demokratischen deutschen
Schule, der Konrad- Adenauer- und Hanns-Seidel-Stiftung beeinflusst.
Große Enttäuschung also?
Ja, denn die ersten nach der Wende gewählten demokratischen Präsidenten aus
Ost- und Mitteleuropa haben sich nicht ein Europa vorgestellt, in dem eine
Kommission Druck ausübt, um die Entscheidung eines Volkes auszuhebeln. Die
Nachfragen der EU-Kommission in Rumänien beschränkten sich ausschließlich
auf Auskünfte seitens der Präsidialkamarilla. Die Meinung anderer war nicht
gefragt.
Wie bewerten Sie die Amtszeit von Präsident Basescu?
Sie hat eine Spaltung der rumänischen Gesellschaft und eine Aufhebung der
solidarischen Haltung bezüglich der Integration in die Nato und in die EU
bewirkt. Und das Wiedererwachen von Argwohn, Intoleranz und Hass, der sogar
Familien entzweit. Schaden genommen hat auch das Vertrauen in die
staatlichen Institutionen. Gravierend ist, dass es Basescu gelungen ist,
einige geachtete Intellektuelle in seine Kamarilla einzugliedern und in
fanatische Agitatoren zu verwandeln.
Im Herbst finden Parlamentswahlen statt. Glauben Sie, dass bis dahin die
Konflikte zwischen den verfeindeten Parteien beendet sein werden?
Die Auseinandersetzungen können gar nicht aufhören. Das Referendum war nur
eine Zwischenstufe. Laut Umfragen gewinnen die antipräsidialen Kräfte die
Wahl mit über 60 Prozent. Es ist schwer vorauszusagen, wie die
Auseinandersetzung zwischen Volk und Präsident verlaufen wird. Hoffentlich
friedlich. Und hoffentlich finden populistische, antieuropäische Parteien
keinen Zuspruch.
5 Sep 2012
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Rumänien
Schwerpunkt Rassismus
Rumänien
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