# taz.de -- Occupy Kiel macht weiter: Kapitalismuskritiker unter Kleingärtnern | |
> Occupy Kiel ist in eine Gartenkolonie umgezogen. Ein Aktivist kandidiert | |
> bei der OB-Wahl im Oktober. | |
Bild: Occupy Kiel musste umziehen, gibt aber nicht auf: Plenum am ehemaligen St… | |
Sonntagmittag in der Kleingartenanlage am Prüner Schlag. In der Parzelle | |
555 ist das Mittagessen fertig, es gibt Kaffee. Die Leute von Occupy Kiel | |
haben sich nach der Räumung ihres Camps in der Innenstadt (taz berichtete) | |
hierher zurückgezogen. | |
„Wir benutzen den Garten wie jeder andere auch“, sagt Aktivist Thomas | |
Schuh. Das Gelände sei auch schon zu Zeiten des Camps am Lorentzendamm | |
Rückzugsort gewesen. „Occupy Kiel ist nicht an eine Örtlichkeit gebunden“, | |
setzt Björn Nickels hinzu, „wir sind sehr gut untereinander vernetzt.“ | |
Zufällig sind solche Sätze nicht: Die Aktiven erzählen von Besuchen des | |
zuständigen Manns auf Seiten der Kleingärten, genannt „Generalpächter“, | |
auch die Polizei war schon da. | |
Das ehemals stadteigene Gartengelände ist verkauft, eine Stellungnahme des | |
neuen Eigentümers nicht zu erhalten. Hier soll ein Kraft-Möbelhaus und ein | |
Sconto-Markt entstehen. Arne Asmussen vom Kleingärtnerverein Kiel von 1897 | |
sagt, derzeit werde der Wert der 337 betroffenen Gärten geschätzt. | |
Dabei gehe es um die Anpflanzungen und Lauben, die dem Bau weichen müssten. | |
Entsprechende Richtlinien seines Landesverbands bezifferten etwa einen | |
Apfelbaum mit 30 Euro. Von den betroffenen Kleingärtnern sprängen einige | |
aus Altersgründen ab, 30 Prozent machten weiter. Dass die Gärten weg | |
müssen, ist Asmussen zufolge seit Juli 2011 bekannt. Am Anfang sei der | |
Protest sehr groß gewesen. | |
Die Runde in der Parzelle 555 spart nicht mit Kritik. „Hier entstehen keine | |
neuen Arbeitsplätze und die Kaufkraft wächst nicht“, sagt Aktivist | |
Sebastian Becker. Ein weiterer Gewerbepark in der Nähe sei dafür | |
verantwortlich, dass es schon jetzt Leerstände in der Kieler Innenstadt | |
gebe. Björn Nickels wohnt in der Nähe: Schon jetzt gebe es genug Abgase und | |
Krach durch die existierenden Märkte. Ulrike Hunold von der Arbeitsgruppe | |
Möbel Kraft des Bundes für Umwelt- und Naturschutz rechnet mit einem | |
Bebauungsplan im Herbst 2013, dann folge ein Flächennutzungsplan. Gebaut, | |
so die Vermutung, wird im Jahr 2014. | |
Becker spricht davon, dass Occupy nicht am Ende sei, man werde überwintern | |
und im Frühjahr wieder herauskommen. Andere scheinen das konkreter zu | |
sehen. Die Aktivisten rammen am Nachmittag zwei Flyerkästen in die | |
umgepflügte Wiese des früheren Camps am Lorentzendamm. Anna Muck spricht | |
von Kontakten mit der evangelischen Kirche und dem Deutschen | |
Gewerkschaftsbund (DGB). | |
Rund ein Dutzend Frauen und Männer lassen sich für ein Plenum auf dem Weg | |
an der Grünanlage nieder. Der Aktivist Matthias Cravan, der zur anstehenden | |
OB-Wahl kandidieren wird, hat 251 Unterstützungsunterschriften sicher. | |
Weitere sind in der Prüfung. | |
Fraglich ist dagegen, wo nach der Räumung die Sachen geblieben sind, die | |
den Aktiven gehörten. Von Schadensersatz fordern und dem Staatsanwalt ist | |
die Rede. Auch die Frage, inwieweit Polizeibeamte einen privat gepachteten | |
Garten betreten dürften und welche Rechte der Generalpächter hat, soll | |
geklärt werden. Rathaussprecher Tim Holborn bittet auf taz-Anfrage nach den | |
Sachen der Campbewohner um eine konkrete Liste. | |
Was wurde aus der mutmaßlichen Brandstiftung im Occupy-Lager am Sonnabend | |
vor Pfingsten? Polizeisprecher Bernd Triphahn berichtet von einem | |
Verdächtigen, der das Vergehen abstreite. Der Fall werde „demnächst | |
abgeschlossen“. | |
Dieses und ein weiteres Feuer, die laut Polizei nicht zusammenhängen, | |
wurden den Occupylern zum Verhängnis: Andreas Tietze (Grüne), der ebenfalls | |
Oberbürgermeister werden will, bewertet die Räumung des Camps etwas anders | |
als der gegenwärtige Bürgermeister Peter Todeskino (ebenfalls Grüne). Der | |
OB-Kandidat bekräftigt aber, dass er nicht in Konfrontation zu seinem | |
Parteikollegen stehe. | |
Tietze fügt hinzu, er könne die Räumung nur mit Einschränkungen beurteilen, | |
weil er keine Akteneinsicht habe, und sagt weiter, dass er einer externen | |
Moderation zwischen Verwaltung und Campern den Vorzug gegeben hätte. Dafür | |
seien von anderer Seite Vorschläge gemacht worden. „Sicher ist: Der | |
Politikprotest braucht den öffentlichen Raum“, sagt er. | |
9 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Frank Berno Timm | |
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