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# taz.de -- Fankultur: Im Clinch mit dem Verband
> Beim 2:1-Sieg gegen den 1. FC Köln reagierten die Fans von Union Berlin
> erneut auf die Differenzen mit dem DFB.
Bild: Interessante Choreographie: Union Berlin gegen den 1. FC Köln.
Sie können auch Reime. „Über raue Töne ist nun empört, wer jahrelang Krit…
überhört“, steht auf einem Transparent. Über die ganze Gegengerade
erstreckt es sich. Adressat ist der Deutsche Fußball-Bund (DFB), den die
Fans des 1. FC Union zuletzt deutlich weniger elegant angegangen waren:
„Fick dich, DFB“, war beim letzten Spiel gegen die Hertha an gleicher
Stelle zu lesen. In der angrenzenden Fankurve halten die Fans später ein
Spruchband mit der Aufschrift: „Der DFB macht sich die Welt, wie sie ihm
gefällt – zu welchem Preis?“
Der 2:1-Heimerfolg des 1. FC Union gegen den 1. FC Köln am vergangenen
Freitag war für die Köpenicker sportlich ein wichtiger Schritt aus der
Krise. Zuvor hatte man an fünf Spieltagen nur ein mageres Pünktchen
eingeheimst. Aber auch abseits des Platzes geht es bei den Unionern derzeit
spannend zu. So debattiert man innerhalb des Klubs über das Verhältnis der
Fans und des Vereins zum DFB, bisweilen auch über die an der Wuhlheide
traditionell enge Beziehung der Vereinsführung zu den Fans.
## Plakat mit Konsequenzen
Die Aktionen gegen den DFB sind weiterhin Ausdruck des Protests gegen eine
pauschale Vorverurteilung bis hin zu der Kriminalisierung von Fangruppen
durch den Verband. Die Union-Fans halten eine offene Diskussion mit dem DFB
über Stadionverbote, Polizeieinsätze während der Spiele, die Legalisierung
von Pyrotechnik (hier hatte der Verband die Gespräche vor einem Jahr für
beendet erklärt) und den Erhalt der Stehplatzkultur für nicht mehr gegeben.
Das „Fick dich, DFB“-Plakat hat für den Verein juristische Konsequenzen,
der DFB hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Union-Präsident Dirk Zingler zeigte sich enttäuscht ob des platten Plakats:
„Wir werden alles daran setzen, die verantwortlichen Personen zu
identifizieren. Wer auf diese Weise dem Verein schadet, muss mit
ernsthaften Konsequenzen rechnen.“ Dabei zeigen sich Präsident und Verein
genauso DFB-kritisch wie die Anhängerschaft. Dem Sicherheitsgipfel des
Verbands Mitte Juli war man (als einziger Profiverein) fern geblieben, da
man dessen Vorgehensweise für undemokratisch hielt. Den 36 Klubs hatte der
DFB ein Schreiben mit einem Verhaltenskodex für Fans zur Unterzeichnung
vorgelegt. Ohne Debatte über den Inhalt und nur einen Tag vor der
Unterzeichnung. „Das hatte was von ’Friss oder stirb‘ “, sagte
Union-Fanabteilungsleiter Jacob Rösler gegenüber 11 Freunde. 35 Vereine
stimmten schließlich zu. Union Berlin nicht.
„Union soll auch weiterhin ein Verein für Fans sein“, sagt Eisern-Fan und
taz-Genosse Olaf Forner. „Das Präsidium wusste halt, das können die uns
Fans nicht antun.“ Die Fan- und Mitgliederabteilung von Union kritisierte
kürzlich in einer Stellungnahme unter anderem den Generalverdacht, unter
den der Verband die Fans stelle: „Es muss einer Entwicklung entgegengewirkt
werden, welche die überwiegend besonnenen Kräfte unter den Fans verprellt
und ihnen damit die Möglichkeit nimmt, aus sich heraus die Friedfertigkeit
der Fankultur zu bewahren.“ Damit wird sicher auch auf die polizeilichen
Schikanen angespielt, die die Unionfans bei Auswärtsfahrten zum Teil über
sich ergehen lassen müssen.
Weder Verein noch Fans streiten ab, dass es ein Gewaltproblem in den und
rund um die Stadien gibt. Im Gegenteil: Derzeit arbeitet man von
Vereinsseite aus an einem eigenen Kodex. Den will man bis Mitte Oktober mit
den Fans erarbeitet haben – und ihn dann dem DFB, der DFL und
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vorlegen. Union will sich
darin laut Präsident Zingler insbesondere für die Stehplatzkultur einsetzen
und bekräftigen, dass das Sicherheitsproblem garantiert nicht in den
Stehplätzen begründet liegt. „Wir Fans haben uns beim Bau bewusst für ein
Stehplatzstadion entschieden, weil es für uns die Fußballkultur hier bei
Union verkörpert“, sagt Forner zum Thema.
## Stehplätze und Logen
Und trotz aller Nähe zwischen Fans und Vorstand deutet sich ein weiterer
Konflikt um die Ausrichtung des Vereins an. Mit der neu entstehenden
Haupttribüne wird man auch „Business Seats“ und insgesamt 25 Logen im
Stadion haben, die der Stehplatzkultur der Eisernen beim besten Willen
nicht entsprechen. Zudem vermarktet der Verein immer offensiver sein
rebellisches, linkes Image. Einigen Fans geht das jetzt schon zu weit,
möglicherweise stehen hier die eigentlichen Grabenkämpfe noch bevor. Der
Charme der Alten Försterei aber wird wohl erhalten bleiben. Im in dieser
Hinsicht vergleichbaren Fall des FC St. Pauli hat die
Durchkommerzialisierung aller Vereinsbereiche zumindest der Stimmung im
Stadion nicht geschadet –und auch bei Union war die Stimmung am Freitag
wieder ausgezeichnet.
Denn das Leder rollte ja auch noch. Es rollte sogar ganz hervorragend durch
die Unioner Reihen. Nach einem frühen Rückstand durch einen Elfmeter
kämpfte sich Union zurück ins Spiel, Silvio erzielte nach einer halben
Stunde den Ausgleich, und Kapitän Torsten Mattuschka besorgte den
Siegtreffer in Hälfte zwei. „Der Sieg war eine Riesenerleichterung“, sagte
Union-Trainer Uwe Neuhaus danach. „Man hat gesehen, dass da eine Mannschaft
auf dem Platz steht, die unbedingt gewinnen will“, lobte er sein Team.
Das Spiel gegen Köln hat dabei erstmals gezeigt, dass das Saisonziel (Platz
fünf bis sieben) durchaus realistisch ist. Besonders in der zweiten
Halbzeit spielte man die 4-4-2-Taktik nahezu perfekt und ließ den Kölnern
kaum Räume. Die Außenspieler Björn Jopek und Christopher Quirin wirbelten
und flitzten dann noch ordentlich über die Flügel – so machte dieses Spiel
Lust auf eine vielleicht doch noch gute Saison nach dem Fehlstart. Und auch
abseits des Spielfelds darf man weiter gespannt sein, was sich in Köpenick
so zuträgt.
23 Sep 2012
## AUTOREN
Jens Uthoff
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