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# taz.de -- Streit um Transparenz: Piraten landen unsanft
> Die Piraten sind angetreten, das Betriebssystem der Politik zu verändern.
> Die ersten Wochen im schleswig-holsteinischen Landtag zeigen: Das wird
> nicht einfach.
Bild: Mit offenem Computer: Patrick Breyer (links) geht vor Beginn der Landtags…
Für den schleswig-holsteinischen Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer war
der vergangene Mittwoch der „Tag der Wahrheit“, wie er sagte. Es war der
Tag, an dem über den ersten großen Antrag seiner Fraktion abgestimmt wurde:
die Geschäftsordnung für den Landtag. In ihr sind die Regeln für den
Parlaments-Alltag geregelt: wer Anträge einreichen oder Sitzungen
einberufen darf und wie Debatten organisiert werden.
Nach jeder Wahl muss sich der neu zusammengesetzte Landtag solche Regeln
geben, und die Piraten nutzten gleich die erste Sitzung, um ihre
Vorstellungen einzubringen. Für die Piraten ist die Geschäftsordnung nicht
ganz unerheblich, werben sie doch damit, das Betriebssystem der Politik
verändern zu wollen. Die Prozesse sollen transparenter werden, die
Beteiligung einfacher.
So wollte die schleswig-holsteinische Piratenfraktion etwa Wortprotokolle
und Audio-Livestreams für die Ausschusssitzungen einführen, die
Landtagspost in der Regel öffentlich machen und eine einwöchige Pause
einführen, die zwischen den Vorschlägen und den Beschlüsse in eigener Sache
liegen muss – etwa bei Diäten-Erhöhungen oder bei Fragen der Finanzierung
der Fraktionen.
Doch es ist nicht viel übrig geblieben vom Antrag der Piraten. Die anderen
Fraktionen hatten sich auf einen Geschäftsordnungsvorschlag geeinigt, der
nicht der der Piraten und ihrer Anhänger war. Die anderen Fraktionen wollen
eher weniger Transparenz: So sollen die Sitzungen des Ältestenrats, eines
Gremiums aus Fraktionsvorsitzenden und dem Parlamentspräsidenten, in
Zukunft vertraulich sein.
In der Debatte ging es dann vor allem um die Benutzung von Laptops bei den
Sitzungen im Plenarsaal. In der neuen Geschäftsordnung ist vorgesehen, dass
darüber der Ältestenrat bestimmt. Die Piraten sagen, die anderen im
Ältestenrat hätten beschlossen, die Laptop-Benutzung ganz zu verbieten.
Dagegen protestierten sie in der Sitzung mit Schreibmaschinen, die zwei
Abgeordnete demonstrativ vor sich aufgestellt hatten. Das Thema machte
international Schlagzeilen, Fraktionschef Breyer drohte mit dem Gang zum
Verfassungsgericht, sollte das Verbot in Kraft treten.
Breyer warf den anderen Fraktionen ein „Verbotsorgie“ vor. „Ich bin froh,
dass mir noch das Sprechen und Atmen hier im Plenum erlaubt sein soll“,
sagte er. Die anderen Fraktionen hielten ihre Zusage nicht ein,
größtmögliche Transparenz sicherzustellen. „An diesem Anspruch sind Sie
völlig gescheitert.“
Die anderen Fraktionen reagierten auf die Anschuldigungen empört. Der
CDU-Fraktionsvize Hans-Jörn Arp behauptete, dass es nicht möglich sei, mit
den Piraten Regeln der parlamentarischen Zusammenarbeit im Konsens
festzulegen. Der SPD-Fraktionschef Ralf Stegner sagte: „Ich würde den neuen
Kollegen empfehlen, statt alle Spielregeln nach wenigen Wochen auf den Kopf
zu stellen, etwas für die Kraft ihrer Argumente zu tun, damit sie
Mehrheiten gewinnen.“
„Die Piraten haben keinen Anspruch darauf, dass sich der Parlamentsbetrieb
nach ihnen ausrichtet“, findet FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Die
Piraten kreisten weiterhin um sich selbst, anstatt sich mit den drängenden
Problemen Schleswig-Holsteins zu beschäftigen.
Bei der Abstimmung enthielt sich der grüne Abgeordnete Rasmus Andresen.
„Dabei ging es mir nicht um das angebliche Laptop-Verbot“, sagt er. Ihn
stört, dass der Ältestenrat in Zukunft nicht-öffentlich tagt. Das sei nicht
piratig, sondern „ziemlich grün“, sagt Andresen. Im Prinzip würden das au…
die anderen Mitglieder seiner Fraktion so sehen. Am Ende sei die Frage, wie
man mit dem Aushandlungsergebnis umgeht – die Kollegen hätten dem
Kompromiss zugestimmt.
Doch nach der hitzigen Sitzung deutet sich an, dass zumindest das
Laptop-Thema einvernehmlich gelöst werden soll. „Wir wollen noch einen
Anlauf machen“, sagt Piratenchef Breyer. Wenn es einen Vorschlag gebe, der
nicht so technikfeindlich sei wie der alte, dann sehe er dafür Chancen. Er
habe gehört, dass es auch darum gehe, dass man die Abgeordneten, die am
Laptop arbeiten, nicht mehr sehen könne, dass man Blickkontakt
gewährleisten wolle. Und, nein, klagen werde er derzeit noch nicht.
Es wird nicht das letzte Mal sein, dass die Piraten mit den anderen
Fraktionen bei Fragen um Formalitäten zusammenstoßen. Denn ein
Lieblingsthema des Fraktionsvorsitzenden Breyer steht noch aus: Er kämpft
gegen die Diäten-Zuschläge für die Parlamentarischen Geschäftsführer.
Derzeit wartet er noch auf ein juristisches Gutachten.
1 Oct 2012
## AUTOREN
Daniel Kummetz
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