# taz.de -- Streit der Woche: Darf man Bücher wegwerfen? | |
> Von manchen Büchern weiß man ganz genau, dass man sie nie wieder lesen | |
> wird. Trotzdem will man sie nicht wegwerfen. Warum eigentlich? | |
Bild: Gibt es mehr Mülltonnen oder mehr Bücher auf der Welt? | |
Es gibt diese Bücher, die man immer wieder aus dem Regal nehmen kann. Man | |
schlägt sie auf, liest darin, atmet den Geruch des Papiers ein und erinnert | |
sich an all die Menschen und Orte und Handlungsstränge, die in diesem Buch | |
eine Rolle gespielt haben. Hach, was war das doch für ein Lesevergnügen! | |
Ohne Zögern könnte man Seite eins aufschlagen und das Buch noch einmal | |
lesen. | |
Es gibt aber auch andere Bücher, die man eigentlich nicht mehr braucht, bei | |
manchen möchte man sagen: die kein Mensch je gebraucht hat. Sie liegen auf | |
dem Dachboden, in Kisten verpackt, und sammeln Staub. Lesen wird sie | |
vermutlich niemand mehr. | |
Trotzdem schrecken viele Menschen davor zurück, solche Bücher wegzuwerfen. | |
Ihre Argumentation: Ein Buch ist mehr als Papier und Buchstaben. Es ist | |
Ausdruck unserer Kultur, es zeigt: Wir können denken, uns sogar Dinge | |
ausdenken und unsere Erinnerungen festhalten. Dem schottischen Historiker | |
Thomas Carlyle wird das Zitat nachgesagt: „In Büchern liegt die Seele aller | |
gewesenen Zeit.“ So etwas kann man doch nicht einfach wegwerfen! Oder? | |
Verschärft wird die Debatte durch das historische Mahnmal der | |
Bücherverbrennungen: Wo immer radikale politische Köpfe auftraten, wurden | |
Bücher verbrannt, die der eigenen Ideologie widersprachen. Die Kirche | |
verbrannte die aufrührerischen Schriften Martin Luthers, auf dem | |
Wartburgfest warfen Studenten Bücher ins Feuer, die sie als undeutsch | |
empfanden. | |
1933 dann der traurige Höhepunkt: Die Nazis machten die Bücherverbrennung | |
zur großen politischen Aktion, zehntausende Werke wurden verbrannt – unter | |
anderem Bücher von Karl Marx und Erich Kästner. Heute ein Buch wegzuwerfen | |
– das weckt böse Assoziationen. | |
Aber was ist mit dem alten Lexikon, das längst nicht mehr mit dem digitalen | |
Wikipedia-Wissen mithalten kann? Mit dem Duden in der Jubiläumsausgabe von | |
1980? Oder mit dem Roman, den man nie zu Ende gelesen hat, weil er so | |
schrecklich langweilig war? Ist auch das Kultur, die für immer und ewig | |
erhalten bleiben muss? | |
Darf man Bücher wegwerfen? Beziehen Sie Stellung! Die taz wählt unter den | |
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2 Oct 2012 | |
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Sebastian Gubernator | |
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