# taz.de -- Labbadias Wutausbruch: Zäher Zorn im Schwabenreich | |
> Stuttgart Trainer Bruno Labbadia verliert nach dem 2:2 gegen Leverkusen | |
> die Contenance und schimpft auf die Presse. Es sei „eine totale Grenze | |
> erreicht“. | |
Bild: In der Rubrik „Brunos neue Verben“ fand sich am Sonntag folgendes:„… | |
Und plötzlich grollte sie, die schwäbische Seele. „Bruno raus!“, schrien | |
die Fans, als VfB-Trainer Labbadia in der 77. Minute Raphael Holzhauser vom | |
Platz holte. Ein Routinewechsel, der 19-jährige Holzhauser war zwar bis | |
dahin der beste Stuttgarter Spieler, aber in seinem erst zweiten | |
Bundesligaspiel von Anfang an derart platt, dass Labbadia beim Stande von | |
2:2 einen frischen Mann fürs Mittelfeld brauchte. Das zahlende Volk sah es | |
anders und grantelte wie sonst nur bei den Bahnhofsdemos. Aber warum? | |
Für Bruno Labbadia war der Grund klar, und so steigerte sich der Hesse mit | |
italienischen Wurzeln bei der sonst eher gemächlichen Pressekonferenz zu | |
einer Wutrede à la Rudi Völler. Und der Adressat war klar – die Presse. | |
Wahrscheinlich war die Aktion als kalkulierte Watsche gedacht, schließlich | |
spielte VfB-Pressechef Max Jung seinem Trainer mit der Frage nach der | |
Auswechslung den Ball so zu, dass man die Regieanweisung spüren könnte, | |
aber dann brannten Labbadia die Sicherungen durch. | |
In „eigener Sache“ meldete er sich zu Wort und erklärte mit wachsendem Zorn | |
in der Stimme, dass die Leute im Stadion von den Medien seit Wochen | |
„aufgewiegelt“ werden. Mit immer dicker werdender Halsschlagader | |
schleuderte Labbadia Sätze wie: „Hier ist eine totale Grenze erreicht. Der | |
Trainer ist nicht der Mülleimer von allen Menschen“, vom Podium. | |
Oder: „Ich kann nicht akzeptieren, wie der letze Depp dargestellt zu | |
werden“, da seien „Unwahrheiten“ verbreitet worden, die „unter die | |
Gürtellinie“ gingen. Es wundere ihn nicht, „wenn man hier alle paar Monate | |
einen neuen Trainer sucht“. Während Labbadia vor sich hin brodelte, stand | |
Manger Fredi Bobic ruhig im Presseraum und signalisierte mit eindeutiger | |
Körpersprache sein Okay. Hinterher gab er Labbadia demonstrativ recht: Ja, | |
die Presse wiegle die Fans auf, die Aufregung des Trainers sei zudem ein | |
„Menschenrecht“. | |
## Zweite Mannschaft in Liga drei | |
Danach ging der Trainer grußlos ab – und im Schwabenland begann die | |
Aufarbeitung. Der Hintergrund der Geschichte: Der VfB Stuttgart investiert | |
sehr viel Geld in seine zweite Mannschaft, die als Farmteam Talente fürs | |
Oberhaus auswerfen soll. Außer Dortmund spielt kein Bundesligist mehr mit | |
der zweiten Mannschaft in Liga drei. | |
Acht Millionen Euro pro Saison lässt sich der Verein den Profinachwuchs | |
kosten, wobei seit Jahren eher andere davon profitieren. Sebastian Rudy, | |
Andreas Beck und Marvin Compper spielen beim Lokalrivalen Hoffenheim, | |
Julian Schuster gehört beim SC Freiburg zur Stammelf, Stürmer Julian | |
Schieber ging kürzlich zu Meister Dortmund. Alles Profis, die in Stuttgart | |
über lange Jahre ausgebildet wurden. Aktuell hat nur Torhüter Sven Ulreich | |
einen Stammplatz; er kommt aus dem eigenen Nachwuchs – und Holzhauser ist | |
auf dem Sprung. | |
Diese Strategie stößt auf Kritik, zumal der Verein sich einen radikalen | |
Sparkurs verordnet, 20 Millionen Euro am Etat gekürzt hat, trotzdem aber am | |
oberen Tabellendrittel als Ziel festhalten will. Schaffen will man das auch | |
mit eigenen Leuten, aber die spielen eben kaum. Und da der Verein mit sechs | |
Punkten aus sieben Spielen einen Fehlstart fabriziert hat, fragen sich | |
viele, warum ist das so? | |
Fahrt nahm die Diskussion auf, als die langjährigen Jugendleiter Frieder | |
Schrof und Thomas Albeck kürzlich kündigten, um zu RB Leipzig zu wechseln. | |
Offiziell wegen der reizvollen Aufgabe, doch angeblich seien sie | |
frustriert, weil Labbadia zu wenig Interesse am eigenen Nachwuchs zeige. | |
## Fehlende Rückendeckung | |
Das wiederum regt den Trainer auf. „Ohne mein Veto wäre Holzhauser in der | |
Sommerpause ausgeliehen worden“, behauptete er. Labbadia vermisst | |
Rückendeckung und Respekt dafür, dass er die Mannschaft vorm Abstieg | |
gerettet, auf Platz sechs geführt und Etatkürzungen mitgemacht habe. | |
Statt Liebe gibt es aber eher mediale Hiebe und jetzt fragt sich der | |
46-Jährige: „Gehe ich den Weg mit – oder am Arsch geleckt.“ Da in Stuttg… | |
das Götz-von-Berlichingen-Zitat eher als gemütliche Konversation gewertet | |
wird, wird es wohl noch weitergehen. Aber der Dampf im Talkessel bleibt, | |
schwäbischer Zorn ist zäh. | |
8 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Löhle | |
## TAGS | |
Fußball | |
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