# taz.de -- Japans Tennisstar Kei Nishikori: O Kei, das war nicht schlecht! | |
> Bei den Japan Open hat nach 40 Jahren wieder ein Japaner gewonnen. Der | |
> Tennisprofi kommt so als Sympathieträger für Tokyos Olympiabewerbung | |
> infrage. | |
Bild: Neuer japanischer Volksheld: Tennisspieler Kei Nishikori. | |
„Kei Nishikori, Keeeeei Nishikooooriii“, jubelte der Stadionsprecher des | |
Ariake Coliseum am Sonntagnachmittag in die Menge. Unter tosendem Applaus | |
der 12.000 Zuschauer, fast ausschließlich Japaner, trottete die derzeitige | |
Nummer 17 der Welt auf den Tokioter Center Court. Die Aufregung war groß. | |
Erstmals nach 40 Jahren stand bei den Japan Open ein Athlet aus dem | |
Austragungsland im Finale. | |
„Allein die Konstellation dieses Endspiels ist schon was“, kommentierte die | |
Journalistin Akatsuki Uchida vom Tennismagazin Smash nervös auf der | |
Tribüne. „Wenn Kei das heute noch gewinnt, wäre das richtig riesig.“ Gut | |
zwei Stunden später war es geschehen. Gegen den im heutigen Montenegro | |
geborenen Kanadier Milos Raonic gewann Kei Nishikori mit 7:6, 3:6, 6:0. | |
Nachdem erst der vierte Matchball verwertet worden war, jubelte die Menge | |
wieder so laut und patriotisch, wie es nach fast jedem erfolgreichen | |
Ballwechsel des Ostasiaten der Fall gewesen war. | |
Japanische Fähnchen flatterten durch die Luft, die Zuschauer standen | |
klatschend und schreiend von ihren Plätzen auf. „So etwas haben wir hier | |
noch nie gehabt“, freute sich auch Uchida nach dem Spiel. Kei Nishikori, | |
glaubt sie, stünde jetzt eine große Karriere bevor. Seit der ersten | |
Austragung im Jahr 1972 hatte es keinen japanischen Tennisspieler gegeben, | |
der die Japan Open gewinnen konnte oder gar das Finale erreichte. | |
Damals hieß der Sieger Toshiro Sakai, ein Spieler, dessen beste Platzierung | |
in der Weltrangliste Rang 75 war. Danach schieden, wie auch bei den meisten | |
anderen Turnieren der ATP Tour, vermeintlich vielversprechende japanische | |
Talente immer wieder früh aus. Durch Kei Nishikori ist dies seit kurzem | |
anders. Im vergangenen Jahr beim Turnier von Basel besiegte er den damals | |
schier unschlagbaren Novak Djokovic. | |
## Tennisgeschichte geschrieben | |
Bei den letzten Australian Open im Januar erreichte er als erster Japaner | |
seit 80 Jahren das Viertelfinale. In Tokio hat er japanische | |
Tennisgeschichte geschrieben. Und womöglich mehr als das. Beim gestrigen | |
Finale war denn auch Tsunekazu Takeda zugegen, der Präsident des Nationalen | |
Olympischen Komitees (NOK) von Japan, der derzeit mit Tokios Bewerbung um | |
die Olympischen Spiele 2020 beschäftigt ist und hierfür nach | |
repräsentativen Gesichtern sucht. | |
Sollte die japanische Hauptstadt die Spiele bekommen, wird auch die | |
renovierungsbedürftige Tennisarena Coliseum neu aufpoliert. Für dieses | |
Vorhaben ließe sich mit einem erfolgreichen japanischen Tennisspieler umso | |
besser werben. Überhaupt verkörpert Nishikori vieles, was ihn zur | |
Vorbildrolle machen könnte: Er kommt nicht nur freundlich und bescheiden | |
rüber, sondern verfügt im Gegensatz zu vielen Japanern über reichlich | |
internationale Erfahrung. | |
Mit 14 Jahren übersiedelte Nishikori in die USA nach Florida, um in der | |
Akademie von Nick Bollettieri zu trainieren. Er könnte für den weltoffenen | |
Japaner stehen, eine Eigenart, die seinen Landsmännern nicht immer | |
nachgesagt wird. Nach Nishikoris Turniersieg in Tokio kursierten daher | |
nicht nur sofort Gerüchte, ob er bald offiziell zum Botschafter der | |
japanischen Bewerbung werde. | |
## „Ordentlich feiern“ | |
Es ging auch gleich darum, was er am Folgetag machen werde. Am zweiten | |
Montag im Oktober, gestern also, wurde Japans Nationalfeiertag des Sports | |
begangen, der nach den Olympischen Spielen von Tokio 1964 eingeführt wurde. | |
Überall im Land veranstalteten Schulen und lokale Vereine Sportfeste. An | |
diesem Tag schickt es sich, sportlich zu sein. Das NOK Japans wollte den | |
Tag nutzen, um für sein olympisches Anliegen zu werben. | |
Der 22-jährige Kei Nishikori aber schien entweder nichts von seiner | |
möglichen Botschafterfunktion zu ahnen oder ihm liegt nicht sonderlich viel | |
daran. Direkt nach seinem Sieg sagte er in ein Mikrofon des | |
Turnierveranstalters: „Erstmal gehe ich heute ordentlich feiern.“ | |
Und am Montag reise er schon nach Schanghai, um dort trotz der politischen | |
Konflikte Japans mit China um die Inselgruppe Senkaku/Diaoyu gleich das | |
nächste Turnier zu spielen. Den Zuschauern im Coliseum schien Nishikoris | |
Äußerung, die unter anderen Umständen womöglich für politische Diskussionen | |
gesorgt hätte, egal zu sein. Der Jubel auf dem Center Court hielt noch | |
einige Minuten an, und die japanischen Fähnchen wehten. | |
8 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lill | |
## TAGS | |
Novak Djokovic | |
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