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# taz.de -- Mauerbau in Sachsen-Anhalt: Der antialkoholische Schutzwall
> Im sachsen-anhaltischen Staßfurt baut der Besitzer eines Einkaufsparks
> eine Mauer. Er will seine Kunden vor dem Anblick von Trinkern im Park
> schützen.
Bild: Staßfurt im Herbst: Man müsste eine Mauer bauen, damit man diese Mauer …
DRESDEN taz | Die Mauer müsse her! Das sagte sich der frühere
Fußball-Nationalspieler und Trainer Uwe Reinders, der im
sachsen-anhaltischen Staßfurt das Einkaufszentrum Bodepark besitzt. Denn
der Anblick von Trinksüchtigen im gegenüberliegenden Kaligarten sei den
Kunden nicht länger zuzumuten. Er wolle „kein Theater“ mit den zwölf
Geschäftsmietern, erklärte Reinders im Lokalfernsehen.
So griff Reinders Mitte September zu einem seit dem Bau der Chinesischen
Mauer bewährten Mittel: Er ließ aus Betonelementen einen Sichtschutzwall
hochziehen. Doch regt sich Protest gegen diese Art, soziale Probleme zu
lösen – nämlich durch Wegschauen.
Tatsächlich bevölkern einige Gestrandete zumindest in der warmen Jahreszeit
die Parkbänke. „Aber nicht mehr als in anderen Städten auch“, heißt es im
Büro von Oberbürgermeister René Zok (parteilos). Die Stoffwechselprodukte
des übrigens preiswert im Bodepark gekauften Biers schlagen sie zuweilen
aber an Bäumen oder Blumenkästen ab. Das ärgert zum Beispiel Fremdenführer,
die Touristen an die nahen ältesten Kalischachtanlagen der Welt begleiten,
und eben auch manchen Kunden des Einkaufsparks.
„Ich versuche seit vier bis fünf Jahren vergeblich, Hilfe von der Stadt und
der Polizei zu bekommen“, begründet Reinders seinen Schritt. Am Rande
seines Marktgrundstücks steht die Mauer nun da, 20 Meter lang und 2 Meter
hoch. „Ein Schandfleck“, wie aus dem Rathaus und von Einwohnern ziemlich
einhellig kommentiert wird, grundhässlich und nach wenigen Tagen schon mit
Graffiti verziert. „Die Mauer muss weg!“ oder „Wir sind das Volk“ ist d…
lesen.
Die Alkoholsüchtigen im Park weisen die Schuld wiederum Jugendlichen zu,
die hier nachts noch viel wilder agierten. Einer ihrer Sympathisanten, der
seit zwölf Jahren trockene Hartmut H. Winkelmann, ist auf YouTube mit einem
Gedicht unter dem Titel „Ungeschickt lässt grüßen“ zu sehen. „Wenn man
etwas nicht gebacken kriegt, pflegt man den Mauerbau“, heißt es darin.
Reinders und sein Bodepark-Manager Klaus Ecke haben zwar auf Privatgelände
gebaut, nicht berücksichtigt haben sie aber, dass es sich insgesamt um ein
Sanierungsgebiet handelt. Für die Neugestaltung der historischen Stadtmitte
hatte Staßfurt erst Ende September sogar den Deutschen Städtebaupreis
erhalten. In diesem Gebiet also hätten die Mauerbauer eine
sanierungsrechtliche Genehmigung einholen müssen.
In der Stadtratssitzung Ende September teilte Oberbürgermeister Zok mit,
dass ein solcher nachträglich gestellter Antrag nicht genehmigt werde. „Die
Wand zerstört das Ortsbild und ist illegal“, bekräftigte auch Wolfgang
Kaufmann, Fachbereichsleiter Bau in der Stadtverwaltung.
## Reinders isoliert
Einen Antrag auf Abriss aber hat die Stadt beim zuständigen Bauordnungsamt
des Salzlandkreises noch nicht gestellt. Gegen eine mögliche
Abrissverfügung hat Reinders vorsorglich schon mal Klage angedroht. Damit
scheint er sich aber weitgehend zu isolieren. Bei den Staßfurtern macht
unter Anspielung auf die frühere SED-Terminologie inzwischen die Wendung
vom „antialkoholischen Schutzwall“ die Runde.
Ausgerechnet am Tag der Deutschen Einheit organisierte die städtische Linke
eine Demonstration. „Wir sind alle Staßfurt“ stand auf einem Plakat. Als
„völlig aus der Zeit gefallen“ attackierte ihr Bundestagsabgeordneter Jan
Korte die Mauer. Auch sein CDU-Kollege Peter Rotter fordert inzwischen den
Abriss des Bauwerks.
An diesem Freitag wollen sich die Stadtspitze und die Reinders-Vertreter
vom Bodepark zu einer Unterredung treffen. Manager Klaus Ecke brachte schon
ein lokales Alkoholverbot und eine Verschönerung der Mauer mit Blümchen und
braven Graffiti ins Gespräch. Mauerspechte und Raritätensammler schärfen
indessen schon einmal den Meißel.
10 Oct 2012
## AUTOREN
Michael Bartsch
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