# taz.de -- Ironman auf Hawaii: German Show | |
> Beim Höhepunkt der Triathleten auf Hawaii landen gleich vier Deutsche | |
> unter den ersten sechs. Topfavorit Andreas Raelert verpasst aber den Sieg | |
> um fünf Minuten. | |
Bild: Am Boden, aber auf dem Treppchen: Andreas Raelert im Ziel. | |
Es war auf dem Queen Ka’ahumanu Highway, also irgendwo auf der Radstrecke | |
zurück von Hawi nach Kailua-Kona, als sich die Gebrüder Raelert erstmals | |
wieder trafen. Dem einen, Michael Raelert, schienen langsam, aber ziemlich | |
sicher die Kräfte zu schwinden, das konnte man bereits erkennen. Der | |
andere, Andreas Raelert, lag fast schon aussichtslos hinter der Spitze | |
zurück. Es würde also nichts werden mit dem gemeinsamen Triumph der | |
Raelert-Brothers beim berühmten Ironman Hawaii, zumindest so viel stand zu | |
diesem Zeitpunkt bereits fest. | |
Allzu früh jegliche Hoffnung fahren lassen, das wollte zumindest Andreas | |
nicht. Während Michael, der erstmals bei der dreigeteilten Ausdauertortur | |
auf Big Island am Start war und, nachdem er zwischenzeitlich vor | |
Erschöpfung Schlangenlinien gefahren war, schließlich doch noch als 31. das | |
Ziel am Pier von Kona erreichte, zog dessen vier Jahre älterer Bruder | |
Andreas aus dem kurzen Familientreffen inmitten der Lavafelder eine Portion | |
Extra-Motivation. „Michael hat mir viel Glück gewünscht. Das war das | |
Quäntchen, wo ich gedacht habe: Jetzt musst du noch mal alles aus dir | |
rausholen!“, erzählte der 36-jährige Rostocker später von dem Moment, der | |
seinem Rennen die vielleicht entscheidende Wende gab. | |
Es sollte eine Wende hin zum Guten werden, auch wenn es noch eine Weile | |
dauerte, ehe dies ersichtlich wurde. Lediglich als Elfter und fast 15 | |
Minuten hinter dem nach den 180 Rad-Kilometern führenden Belgier Marino | |
Vanhoenacker machte sich der Vorjahres-Dritte aus Rostock auf den | |
abschließenden Marathon; nahezu ein Drittel, satte vier Minuten seines | |
Rückstandes, hatte er sich bereits beim morgendlichen Schwimmen über 3,8 | |
Kilometer im handwarmen Pazifik eingefangen. | |
„Ich bin noch nie so schlecht geschwommen“, analysierte Raelert seinen | |
misslungenen Start in den Tag später selbstkritisch. Entsprechend | |
„ungewohnt“ war es für ihn, „mit so einem Rückstand dem Rennen | |
hinterherzufahren“. | |
## Kunst der Mangelverwaltung | |
Die Kunst des Ironman ist auch die Kunst der Mangelverwaltung und des | |
Krisenmanagements. Und in Krisen stürzt definitiv jeder, der sich die | |
dreigeteilte Schinderei über insgesamt 226 Kilometer antut, zumal im | |
Glutofen der Lavafelder rund um Kona, auch die Profis sind davor nicht | |
gefeit. „Man muss immer an sich glauben“, ist da nur folgerichtig einer der | |
Leitsätze von Raelert. Nun, beim abschließenden Marathon, setzte er ihn um: | |
Platz um Platz machte der 36-Jährige gut, Minute um Minute. Am Ausgang des | |
legendären Energy Lab waren es nur noch vier Minuten Rückstand auf den | |
mittlerweile führenden Pete Jacobs aus Australien, der wiederum kurz zuvor | |
erst den strauchelnden Radbesten Vanhoenacker überholt und damit ein | |
kleines Drama ausgelöst hatte: Der Verlust der Führung und somit aller | |
Sieghoffnung brach auch den letzten Willen des Belgiers, der kurz darauf | |
aufgab und per Krankenwagen abtransportiert werden musste. „Am Ende bin ich | |
einfach völlig überhitzt“, sagte Vanhoenacker. | |
Für den Vorjahres-Zweiten Jacobs wurden die verbleibenden sieben Kilometer | |
zum Triumphlauf bis ins Ziel, das er nach 8:18:37 Stunden erreichte. | |
Raelert indes musste eine weitere Krise in Form eines „energetischen Tiefs“ | |
bewältigen – und hatte ein Beinahe-Déjà-vu: Auf der Palani Road, dem | |
letzten Kilometer des Rennens, musste sich der Rostocker des Angriffs des | |
Belgiers Frederik van Lierde erwehren, also just an der Stelle, an der ihm | |
vor zwei Jahren der Australier Chris McCormack enteilt war. „Ich habe nur | |
gehofft, dass nicht das Gleiche passiert wie damals. Das wäre für mein Ego | |
ganz schlecht gewesen“, erzählte Raelert später vom quasi letzten Vorhang | |
seines Rennens. | |
## Reif für den Sieg | |
Damals, gegen McCormack, verlor er das Duell, diesmal, gegen van Lierde, | |
gewann er es und erreichte nach 8:23:40 Stunden das Ziel, 29 Sekunden vor | |
van Lierde. Beim ersten Mal war Platz zwei auch eine kleine Niederlage. | |
Diesmal durfte er ihn getrost als kleinen Sieg empfinden. Den großen | |
Triumph will Raelert, so hat er es vor Ort angekündigt, im nächsten Jahr | |
nachholen. Nach zwei zweiten sowie zwei dritten Rängen scheint er mehr als | |
reif dafür. | |
Dann könnte auch Sebastian Kienle ein noch gewichtigeres Wörtchen im Kampf | |
um den Sieg mitreden. Diesmal, bei seiner Hawaii-Premiere, wurde der junge | |
Karlsruher nach 8:27:08 Stunden vielbeachteter Vierter, direkt gefolgt vom | |
Münchner Faris Al-Sultan und dem Heidelberger Timo Bracht, was alles in | |
allem gleich vier Deutsche unter den besten zehn ergab. | |
Für die fünfte deutsche Top-Ten-Platzierung sorgte die Regensburgerin Sonja | |
Tajsich, die beim Sieg der Britin Leanda Cave auf Rang vier landete. | |
14 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Frank Ketterer | |
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