# taz.de -- TOURISMUS: "Berlin ist kein Zoo" | |
> Hardy S. führt Touristen mit dem Fahrrad durch Berlin. Die Nachfrage ist | |
> in den vergangenen Jahren immens gestiegen. | |
Bild: Radeln ja, gaffen nein: Tourismus auf zwei Rädern in Berlin. | |
taz: Herr S., ist die Zahl der Teilnehmer an Ihren Touren in den | |
vergangenen Jahren gestiegen? | |
Hardy S.: Seit zwei Jahren sind Touristentouren hier total überlaufen. | |
Plötzlich sind nicht mehr nur ein oder zwei Gruppen hier unterwegs, sondern | |
15 oder 20. Das ist ein Hype, aber es geht auch irgendwann wieder vorbei – | |
hoffentlich. | |
Sie steuern ja nicht nur Klassiker wie das Brandenburg Tor an, sondern | |
fahren auch Touren zum Beispiel mitten durch Kreuzberg. Finden Sie es | |
wichtig, Touristen ein anderes Berlin zu zeigen? | |
Ich versuche, meine Touren so zu halten, dass sich die Teilnehmer nicht so | |
fühlen, als ob ich gerade eine Stadttour mit ihnen mache. Ich will ihnen | |
einfach zeigen, was der durchschnittliche Berliner so macht. | |
Was wollen Sie als Stadtführer von dieser Stadt preisgeben – und was nicht? | |
Das ist ein Zwiespalt. Fährt man Orte an wie etwa den Görlitzer Park oder | |
den Club der Visionäre? Dann trägt man selbst dazu bei, dass diese Orte | |
irgendwann überlaufen sind. Wenn ich das aber nicht mache, dann fährt sie | |
jemand anderes an und zeigt diese Orte viel rücksichtsloser als ich, indem | |
er sich zum Beispiel mittenrein stellt. Ich will meinen Bezirk auf meine | |
Art und Weise zeigen und nicht so, wie es dem durchschnittlichen Berliner | |
übel aufstößt. | |
Was stößt dem durchschnittlichen Berliner auf? | |
Wenn man mit seinen Freunden im Park sitzt, und dann kommt eine Horde von | |
Touristen, die alle knipsen – dann ist das lästig. Wenn man aber darauf | |
achtet, sich mit einer Gruppe von Touristen nicht mitten in den Park zu | |
stellen, und das Zeigen eher nebenbei passiert, dann ist das für alle | |
entspannter und für zehn Minuten zu ertragen. | |
Ist es schon vorgekommen, dass TouristInnen angepöbelt worden sind? | |
Im Allgemeinen nicht. Ich habe das aber von vielen Kollegen gehört. | |
Einer Ihrer Kollege sagt, ihm passiert das im Schnitt auf jeder fünften | |
Tour. | |
Das liegt daran, dass entweder zu laut gesprochen wird oder dass man zu | |
lange vor Ort gewesen ist. Außerdem: Wenn die Leute eine Wagenburg | |
fotografieren, dann müssen sie das bitte aus dem Handgelenk machen. Berlin | |
ist kein Zoo. Das wird von vielen Touristen missverstanden. Es gibt viele | |
Leute, die hier leben und arbeiten. Die wollen auch irgendwie mal ihre Ruhe | |
haben. | |
Einige BerlinerInnen scheinen sich von TouristInnen sehr gestört zu fühlen. | |
In Kreuzberg kleben etwa Aufkleber … | |
… mit der Aufschrift „Berlin doesn’t love you.“ | |
Genau. Was halten Sie davon? | |
Ich persönlich habe die Aufkleber noch nicht gesehen. Aber das ist eben ein | |
Stickerkult. | |
Richtet sich eine solche Aussage nicht eindeutig gegen TouristInnen? | |
Das wird ja auch politisch auf einer gewissen Ebene befördert. Die | |
Kreuzberger Grünen haben vergangenes Jahr zu einer Veranstaltung mit dem | |
Titel „Hilfe, die Touris kommen“ eingeladen. | |
Haben Sie als Stadtführer eine andere Sicht auf die Dinge? | |
Was sich auf jeden Fall durch meinen Job verändert hat: Ich blende | |
Touristen völlig aus. Wenn ich privat unterwegs bin, bin ich aber auch | |
manchmal genervt. Das ist normal. | |
Wieso? | |
Man identifiziert sich ja auch mit seinem Bezirk. Andererseits finde ich | |
Kreuzberg wahrscheinlich aus den gleichen Gründen schön wie die Touristen, | |
die hierherkommen. | |
16 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Nikola Endlich | |
## TAGS | |
Die Linke Berlin | |
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