# taz.de -- Interview mit Linken-Chef: "Wir lernen dazu" | |
> Klaus Lederer, seit 2005 Linken-Chef, will nochmal: Auf dem Parteitag am | |
> Samstag kandidiert der 38-Jährige für den Vorsitz. | |
Bild: Klaus Lederer (rechte Bildhälfte), Rotes Rathaus (linke Bildhälfte). | |
taz: Herr Lederer, Sie sind seit 2005 Landeschef der Linken, am heutigen | |
Samstag treten sie erneut an. Gibt es sonst niemanden, der den Job kann? | |
Klaus Lederer: Ich bin fest überzeugt, dass wir genügend qualifiziertes | |
Personal haben. Ich will mich aber mit meiner bisherigen Bilanz noch nicht | |
zufrieden geben. Solange du noch offen bist und dich als lernenden Mensch | |
verstehst, kannst du auch dazu beitragen, dass die Partei eine lernende | |
Organisation bleibt. | |
Die Bilanz spricht eher gegen Sie: Bei der Berlin-Wahl ist die Linke aus | |
der Regierung geflogen, in Umfragen ist sie auf 10 Prozent gefallen, der | |
Mitgliederschwund ist rapide. | |
Es ist richtig, dass wir strukturell und politisch Kraft gewinnen müssen, | |
aber das ist nicht nur in Berlin so. Und klar kostet das nach zehn Jahren | |
Regierung zigmal mehr Arbeit. | |
Hat das Regieren am Ende mehr geschadet als geholfen? | |
Das würde ich so nicht pauschalisieren. Wir haben ja auch Bleibendes | |
geschaffen, mehr Demokratie durch Volksbegehren etwa oder die | |
Gemeinschaftsschulen. Nun gilt es, aus der Opposition spannende Ideen | |
vorzuschlagen und Themen aufzugreifen, die auf der Straße liegen: von den | |
Mieten, dem Volksbegehren Energietisch bis zum Sozialticket. Eine Partei | |
ist dann stark, wenn sie ihre Sensoren in den stadtpolitischen Initiativen | |
hat. | |
Gerade dort hat die Linke aber viel Kredit verspielt, weil Rot-Rot etwa | |
beim Thema Mieten untätig blieb. | |
Weil wir da bei der SPD auf Granit gebissen haben. Natürlich ist es nicht | |
einfach, Vertrauen zurückzugewinnen. Das bekommt man nur mit praktischem | |
Engagement hin. Wir bieten den Mietern unsere Unterstützung an und machen | |
parlamentarisch Druck: bei der Anschlussförderung im Wohnungsbau, beim | |
Umgang der städtischen Gesellschaften mit ihren Mietern, bei der | |
Vernichtung von Wohnraum, um diesen besser zu verwerten. | |
Beim Wohnen punktet jetzt aber Rot-Schwarz mit seinem Mietenbündnis, | |
genauso beim Rückkauf der Wasserbetriebe und der neuen Liegenschaftspolitik | |
– alles linke Ideen. Wie will sich Ihre Partei da noch profilieren? | |
Gucken wir doch erstmal, was außer Ankündigungspolitik davon bleibt. Ich | |
habe eher den Eindruck, dass die Koalition in Lethargie verfallen ist und | |
mit Formelkompromissen den Schein einer gemeinsamen Politik wahrt. Wir | |
machen mit konkreten, finanzierbaren Vorschlägen fürs Wasser, für S-Bahn, | |
Energie oder öffentliche Wohnungsunternehmen Druck, damit die SPD nicht auf | |
Dauer unbeschadet links blinken und rechts abbiegen kann. | |
Der Rückkauf des RWE-Anteils an den Wasserbetrieben ist mehr als | |
Ankündigung. Kein Grund zur Freude? | |
Natürlich freue ich mich, wenn unsere Anliegen aufgegriffen werden. Gerade | |
das Beispiel Wasser zeigt aber, dass die einfache Re-Verstaatlichung nicht | |
ausreicht. Das Ziel muss eine Demokratisierung des Unternehmens sein, wofür | |
wir auch die Veolia-Anteile bräuchten, und nachhaltig gesenkte Preise. Um | |
beides drückt sich die Koalition. Für sie ist der Rückkauf eine rein | |
haushaltstechnische Maßnahme ohne politisches Konzept. | |
Auch in der Opposition geht die Linke unter. Beim Flughafen geben die | |
Grünen den Ton an, die Piraten stehlen als Neue die Aufmerksamkeit. Was | |
tun? | |
Wir wollen mit Inhalten statt mit Krawall auffallen. Das ist schwerer, aber | |
nachhaltiger. Auch aus unserer Regierungserfahrung heraus steht die | |
Fraktion für pragmatische, visionäre Politik. | |
Viele Linken-Wähler interessieren sich aber mehr für die Piraten und deren | |
Basisdemokratie-Experimente. | |
Ach, vieles, was die Piraten tun, ist bei uns schon lange Usus. Bei anderem | |
lernen wir dazu. Eine spannende kulturelle Ausstrahlung und | |
Streetcredibility gewinnt man durch Inhalte und konkrete Praxis. | |
Wie soll das gelingen? Ihre Partei ist überaltert, das Image eher ein | |
behäbiges. | |
In den emanzipatorischen Milieus dieser Stadt haben wir durchaus einiges | |
vorzuweisen, hängen es aber nicht immer an die große Glocke. In der | |
Queer-Politik etwa arbeitet die Linke überzeugend und kontinuierlich. | |
Gleiches sehe ich bei der Club-Kultur, der Liegenschaftspolitik, dem | |
Einsatz für alternative Projekte. Oder nehmen Sie unsere Unterstützung der | |
Senioren in der Stillen Straße: Deren Besetzung begeistert auch Jüngere. | |
Das macht Spaß, da gewinnen wir neue Mitstreiter. | |
Wichtige Aufgabe des neuen Vorstands wird die Vorbereitung der | |
Bundestagswahl. In Umfragen liegt die Linke dabei derzeit bei 6 Prozent, | |
der Bundesverband ist zerstritten. Wie existenziell wird die Wahl? | |
Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Bundestag vertreten sein werden, | |
als gesamtdeutsche Partei. Dieses Ziel eint uns alle im Landesverband. | |
Alles andere wäre ein Verlust für die soziale Politik in der | |
Bundesrepublik. | |
20 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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