# taz.de -- Tourismus nach Honduras: Ein letzter Küstenstreifen | |
> Miami heißt das Dorf der Garífuna am weißen Mangrovenstrand. Es soll dem | |
> touristischen Traum vom Tropenparadies in der Karibik weichen. | |
Bild: Am Strand von Miami (Honduras). | |
Der Name auf dem hölzernen, von Wind und Wetter zerfurchten Schild klingt | |
gut: Miami. Auf den ersten Blick wirkt Miami wie ein Hippiedorf in den 70er | |
Jahren am schönsten Strand gelegen. In dieser Comunidad Garífuna gibt es | |
nur einfachste Holzhütten, Bananenstauden und Dschungel. „Hier gibt es | |
weder fließendes Wasser noch Strom, doch für uns Garífuna ist das hier das | |
Paradies“, sagt Anni, 52, die zusammen mit ihrer Tochter Loida das winzig | |
Restaurant El Tiburón bewirtschaftet. | |
Für 30 Lempiras, umgerechnet 1,50 Euro pro Person, frittiert sie uns einen | |
Fisch und Bananenscheiben in Kokosöl, dazu gibt es ein Bier der Marke | |
„Salvavidas“ (Lebensretter). Touristen können hier für 100 Lempiras am Tag | |
in einfachen Hütten übernachten. | |
Anni ist stolz auf ihre Herkunft und ihr Volk, das auf eine turbulente | |
Geschichte zurückblickt. Im Jahr 1635 kenterten vor Saint Vincent, einer | |
kleinen Insel in der östlichen Karibik, damals noch britische Kolonie, zwei | |
Sklavenschiffe. Die Überlebenden, die sich an Land retten konnten, | |
vermischten sich nach und nach mit der einheimischen Bevölkerung, den | |
Kariben. So entstand dann das Volk der Garífuna, sie wurden die ersten | |
freien Schwarzen von ganz Amerika. Ein Jahrhundert später deportierten die | |
Briten zweitausend Garífuna nach Honduras, heute leben sie in allen Ländern | |
Zentralamerikas, ihre Zahl ist auf 100.000 angewachsen. „Dabei ist es uns | |
gelungen, unsere afrikanischen Wurzeln, unsere Kultur und Traditionen zu | |
bewahren“, erklärt Anni selbstbewusst. | |
## Wichtigstes Feuchgebiet von Honduras | |
Miami liegt am äußersten Ende einer Halbinsel, die zum Naturpark Jeannette | |
Kawas gehört, benannt nach einer amerikanischen Umweltaktivistin. Das Areal | |
ist eines der wichtigsten Feuchtgebiete in Honduras. Auch Santos lebt hier, | |
er ist der einzige Mestize unter rund einem Dutzend Garífunafamilien. Der | |
Fischer ist Experte für die Mangrovenwälder der Lagune. „Wir schützen | |
unsere Mangroven“, sagt Santos. „Doch immer mehr Wälder in Honduras werden | |
abgeholzt, um der Shrimpszucht Platz zu machen.“ | |
Nicht nur die Mangrovenbestände, die die Garífuna nachhaltig zu nutzen | |
wissen, schwinden rasch. Immer wieder gibt es Streit darüber, wem der | |
unverbaute Küstenstreifen vor der Bucht von Tela gehört. Genau an dieser | |
Bucht sind weitere Garífunagemeinden wie Tornabé, San Juan und Triunfo de | |
la Cruz angesiedelt, deren Bewohner das Land für sich reklamieren. Sehr zum | |
Ärger mancher Honduraner, die hier gerne den Tourismus vorantreiben würden. | |
„Das war einst eine illegale Landnahme, hier lebten nämlich Indianer vom | |
Stamme der Pech, die sich nach der Ankunft der Garífuna in die Berge | |
zurückzogen“, erklärt der Völkerkundler Salvador Echigoyen. | |
Doch das sehen die Garífuna, deren Sprache, Tänze und Musik zum | |
immateriellen Weltkulturerbe zählen, ganz anders. Sie zeigen Urkunden und | |
Dokumente, die beweisen sollen, dass das Land ihnen gehört. Im April | |
letzten Jahres forderten sie mit einer Demonstration in der honduranischen | |
Hauptstadt Tegucigalpa den Respekt für ihre afrikanischen Wurzeln ein und | |
begingen feierlich den 214. Jahrestag ihrer Ankunft in Honduras. | |
## Glorreiche Vergangenheit der Bananenproduzenten | |
In Tela selbst würde so mancher Bewohner gerne an die glorreiche | |
Vergangenheit des Städtchens anknüpfen. Tela war einst Hauptsitz des | |
Bananenproduzenten Tela Railroad Company. Vom Sandstrand der Stadt wurden | |
Bananenkisten in alle Welt verladen. Heute zeugen noch ein verrosteter Pier | |
und eine von Gestrüpp überwucherte Landepiste von jenen Tagen. Jetzt | |
setzten viele ihre Hoffnungen auf den Tourismus. „Die Bucht von Tela bietet | |
optimale Bedingungen, wir haben ein Korallenriff, das mit dem Great Barrier | |
Reef in Australien vergleichbar ist“, sagt Antal Börcsok, dessen Vater aus | |
Ungarn stammt. Tela habe ein enormes Potenzial als Taucherparadies, hier | |
gebe es sogar die seltene Elchgeweihkoralle (Acropora palmata). Antal hat | |
schon mal angefangen, zu investieren. Sechs Kilometer hinter Tela hat er | |
ein kleines Hotel gebaut, doch er arbeitet auch für die Honduras Shores | |
Plantation, die Häuser an reiche Amerikaner verkauft. | |
Der junge Mann, der mit einer Honduranerin verheiratet ist, träumt von | |
einer großen Zukunft. „Die Weltbank und internationale Investoren wollen | |
aus Tela das Tropenparadies von ganz Lateinamerika machen“, sagt er. Das | |
Projekt namens Bahia de Tela sehe einen Golfplatz mit Blick aufs Meer, | |
Jachthäfen, Villen und Einkaufszentren vor. Die Garífuna sollen an der | |
Entwicklung teilhaben und Touristen mit folkloristischen Darbietungen | |
unterhalten. | |
Sehr zum Leid von Teresa Reyes, Sprecherin der Garífuna in der Gegend: | |
„Unsere Lebensgrundlagen werden vernichtet.“ Völkerkundler Salvador findet, | |
dass die ursprüngliche Lebensweise der Garífuna auch aus einem ganz anderen | |
Grund bedroht ist: „Viele der jungen Garífuna sind in die USA ausgewandert. | |
Der amerikanische Traum ist es, der die Kultur dieses Volkes eines Tages | |
zerstören wird“ | |
27 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Ute Müller | |
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Honduras | |
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