# taz.de -- Kalkül hinter dem Anschlag in Afghanistan: „Die Kommandeure agie… | |
> Haben die Taliban ein Strukturproblem? Ja, meint der Afghanistan-Experte | |
> Conrad Schetter nach dem schwere Anschlag in der Provinz Faryab. | |
Bild: Haben ein Strukturproblem: Die Taliban. | |
taz: Die Provinz Faryab, die zum der Bundeswehr unterstehenden | |
Regionalkommando Nord gehört, galt bisher als relativ ruhig. Deutet der | |
schwere Anschlag vom Freitag auf eine Verschlechterung der Sicherheitslage | |
hin? | |
Conrad Schetter: Faryab war nie richtig ruhig, sondern dort hat es immer | |
gebrodelt, wenngleich das nicht so bekannt war wie etwa in Kundus. Faryab | |
hat eine hohe ethnische Vielfalt mit sehr vielen untereinander | |
zerstrittenen Gruppierungen, ist also eine eigentlich konfliktanfällige | |
Provinz, die aber nie im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Das | |
Kriegsfürstentum war dort immer sehr stark ausgeprägt. | |
Stecken die Taliban, wie von der Regierung behauptet, hinter dem Anschlag? | |
Der Anschlag mit 17 toten Polizisten war ganz offensichtlich gegen die | |
lokale Regierung gerichtet, wurde also von Regierungsgegnern durchgeführt. | |
Und da wären in erster Linie die Taliban zu nennen. Denkbar ist auch eine | |
Racheaktion, weil kürzlich in Faryab ein Talibankommandeur getötet wurde. | |
Auch trägt der Anschlag eine Art von Handschrift, die derjenigen der | |
Taliban entspricht. Denn diese haben immer wieder Anschläge gerade in | |
Moscheen verübt. | |
Wenn am ersten Tag des islamischen Opferfestes mutmaßliche Islamisten einen | |
Selbstmordanschlag auf eine Moschee verüben und Dutzende Gläubige töten, | |
müsste dies doch kontraproduktiv für ihre politischen Ziele sein. Denn das | |
wäre etwa vergleichbar mit einem Anschlag auf eine christliche Kirche an | |
Weihnachten. Welches Kalkül steckt dennoch dahinter? | |
Aus der Logik einer Aufstandsbewegung betrachtet, ist dies eine der wenigen | |
Möglichkeiten, bei denen sich der Gegner schwer verteidigen kann. Denn in | |
eine Moschee gehen der Gouverneur und Polizisten unbewaffnet, und sie sind | |
dort alle zusammen. Sie bilden dort ein weiches militärisches Ziel, das | |
anders als sonst leicht zu treffen ist. In dem Fall überwiegt meiner | |
Meinung nach die Aufstandslogik gegenüber der negativen Publizität, dass | |
die Taliban selbst in Moscheen Anschläge verüben. | |
Talibanchef Mullah Omar rief diese Woche seine Kämpfer erneut dazu auf, | |
Zivilisten zu schonen. Jetzt sind wieder viele Zivilisten unter den Opfern. | |
Was steckt hinter solchen Aufrufen? | |
Ich sehe dahinter ein Strukturproblem der Taliban, also des Verhältnisses | |
der zentralen Führung zu den einzelnen Kommandeuren. Die Zentrale will die | |
einzelnen Kommandeure unter Kontrolle rufen, die sich jedoch auch immer | |
wieder emanzipieren und dabei auch Sachen machen, welche die Taliban als | |
Bewegung vielleicht gar nicht wollen. Der Fall zeigt aber auch, dass der | |
Arm von Mullah Omar eben nicht bis Maimana reicht und die Kommandeure aus | |
unterschiedlichen Gründen ihr eigenes Ding machen. Mullah Omar will mit | |
solchen Aufrufen die Taliban sowohl positiv darstellen als auch die | |
Kommandeure disziplinieren. Das gelingt aber nicht. In vielen Provinzen | |
agieren die Kommandeure sehr eigenständig, und die Taliban sind auf sie | |
angewiesen. | |
28 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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